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Der Schmetterlingsbaum

Der Schmetterlingsbaum

Titel: Der Schmetterlingsbaum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Urquhart
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Das Klatschen der Wellen an den Ufersteinen mischte sich eigenartig mit den künstlichen Klängen von der zerkratzten Platte, und während Teo und ich stocksteif dastanden, kam mir der Gedanke, dass aufgezeichnete Musik, die im Freien abgespielt wird, in einer Umgebung, in der sie noch nie gehört wurde, blechern und fast unangenehm klingt.
    Das alles ist mir wie ein Gemälde in Erinnerung, allerdings eines, das sich irgendwann in langsame Bewegung auflöst und in vollständiges Chaos mündet. Mein Onkel folgte Teos Blick und entdeckte die Mexikanerin, die Teos Mutter war. »Dolores!«, rief er. »Komm und tanz mit!« Sie zögerte erst, dann gehorchte sie, kletterte unbeholfen über den Zaun, nicht weit von der Stelle, wo, scheinbar völlig ungerührt, meine Mutter stand und weder uns noch die in unser Territorium eindringende Mexikanerin ansah. Teo machte eine unwillkürliche Bewegung, die sich meinen Arm hinauf fortsetzte, und ich sah ihm an, dass er instinktiv zu seiner Mutter hinlaufen wollte, aber sich zusammenriss.
    Was, frage ich mich heute, brachte meinen Onkel auf die Idee, dass ein Kind durch Anweisungen wie star through, pass through, circle round the track, dive through, pull through, box the gnat Englisch lernt? Aber vielleicht wusste er mehr über den Jungen als ich damals. Vielleicht fand er, dass Sprache in Verbindung mit Musik und Bewegungen das Kind zum Reden animieren könnte.
    Heraus kam allerdings ein Höllentanz. Dolores war die Einzige von uns, die einen Tanzschritt beherrschte – mein Onkel zog entweder Notenblätter aus seiner Tasche oder ließ sie eine Pirouette nach der anderen drehen, während die alte Platte, die einen Sprung hatte, hängenblieb und sich ewig wiederholte. Mein Vetter Shane begann mit einem clownartigen Breakdance, und meine Mutter wand sich vor Lachen. Mandy riss sich von Peter los und stürzte sich auf Shane, bis sich die beiden ineinander verkeilt im Gras wälzten. Teo und ich standen unterdessen immer noch stocksteif und schweigend mitten in diesem Durcheinander, hielten uns pflichtschuldig an den Händen, sahen einander an und wandten scheu den Blick wieder ab, wie Kinder es eben tun.
    Das Gesicht gerötet von Sonne und Gin, brach schließlich meine Tante in dieses eigenartige Mysterienspiel ein wie ein Polizist in einen illegalen Nachtclub. Sie brauchte nichts weiter zu tun, als in ihrer seidenen Bluse mit verschränkten Armen auf das Tohuwabohu zuzugehen, und schon geriet der Schwung der Gruppe ins Wanken und stockte. Wir Kinder, die wir morgens mucksmäuschenstill sein mussten, bis um acht Uhr ihr Wecker geläutet hatte, und wussten, dass sie es schon fertiggebracht hatte, uns zu hören, wenn wir uns um sieben Uhr drei Zimmer weiter im Bett umdrehten, waren besonders empfänglich für ihr Herannahen. Ebenso sämtliche mexikanischen Arbeiter. Teo ließ augenblicklich meine Hand los; im Schlepptau seiner Mutter strebte er rasch zum Zaun und kletterte darüber, und beiden war klar, dass es mit der kurzzeitigen Aufhebung ihres Außenseiterdaseins wieder vorbei war. Das Gelächter, das meine Mutter im Griff hatte wie eine Faust, verebbte jäh. Mein Onkel hingegen, der leidenschaftli cher bei der Sach e war als wir Übrigen, sang die Anweisungen von der Platte mit – swing your partner round and round – , dann hielt er plötzlich inne und blickte von seinen Noten auf. »Wo ist sie hin?« Er lachte. »Was ist aus meiner Partnerin geworden?«
    Meine Tante hob den Tonabnehmer von der Platte und schrammte dabei laut mit der Nadel über das Vinyl. Eine dumpfe Stille legte sich über den Spätnachmittag. Als sie sicher war, dass sie unsere ungeteilte Aufmerksamkeit hatte, lächelte sie strahlend. Weil mein anderer Onkel an diesem Tag in irgendeiner abgelegenen Gegend mit einer Abendauktion beschäftigt war und seine Frau, meine andere Tante, ihm Gesellschaft leistete, blieben die anderen Cousins zum Abendessen, und Tante Sadie fragte munter: »Wer möchte Spaghetti?« Und damit kehrte sie ins Haus zurück.
    Gerade fällt mir ein, dass die Monarchfalter eigentlich alle Anzeichen eines heiteren Wesens zeigen. Ihre Schönheit, ihre Art, wie sie, fantastisch geschmückt und immer in der Nähe farbenfroher Blüten, kreuz und quer durch unser sommerliches Blickfeld tanzen, ihre Ausgeglichenheit und die offensichtliche Mühelosigkeit ihrer Bewegungen geben uns allen Grund zu der Annahme, dass sie sich im Zustand der Gnade befinden. In Wahrheit führen wenige Insekten ein ähnlich

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