Der Schmetterlingsbaum
zumindest wenn ich in der Stadt war. Ich konnte stundenlang ganz konzentriert für mich spielen, und es gab Zeiten, in denen ich zumindest geistig abwesend war und von meiner Umgebung recht wenig mitbekam. Und obwohl ich auch das Zugehörigkeitsgefühl liebte, das in der Gesellschaft meiner Cousins aufblühte, waren episodische Anwandlungen stummer Fantasterei ein Ausbruch, den ich mir leisten konnte, ohne den Anschein zu erwecken, ich sei vollständig von der Welt losgelöst. Wenn Teo und ich miteinander spielten, war er manchmal wie ein imaginärer Freund.
Hin und wieder kamen wir ohne Worte überein, uns von den Plantagen (wo gegen Ende des Sommers seine Mutter mit den anderen Mexikanern arbeitete und uns sehen konnte) weiter zu entfernen und in das Waldstück zurückzuziehen, das mein Großvater und Urgroßvater, die Patriarchen, den Forst genannt hatten. Sie hatten dieses bewaldete Stück Land bewirtschaftet und gepflegt, aber mein Onkel kümmerte sich nicht mehr darum, und zu der Zeit, als Teo und ich dort umherstreiften, war der einst ordentliche Forst schon ziemlich verwildert. Wären nicht die drei Holsteinkühe gewesen, wäre das Dickicht wohl so undurchdringlich geworden, dass man sich einen Weg hätte freihacken müssen. Aber nachdem die weidenden Kühe das wuchernde Gestrüpp halbwegs im Zaum hielten, konnten Teo und ich dort eindringen und auf Entdeckung gehen, konnten Pilze suchen, Hallimasch und Bovist, und Dreiblatt-Feuerkolben. Wenn der Sommer noch jung war, suchten wir die überwucherten Weiden nach den Puppen des Monarchfalters ab; sie hängen an den Seidenpflanzengewächsen, die auf diesem vernachlässigten Land zuhauf wachsen.
Gelegentlich spielten wir am Ufer des Bachs, der durch den Wald zum See mäandert und den wir unseren Fluss nannten. Einen ganzen Sommer lang, erinnere ich mich, waren wir damit beschäftigt, Inseln zu bauen – Ingenieurleistungen im Kleinen, für die wir Felsbrocken und Äste ins Wasser schleppten und mit eimerweise triefendem Schlamm aus dem Bachbett festzementierten. Schweigend arbeiteten wir Seite an Seite an unseren Bauten, und wenn der Nachmittag zu Ende ging, saßen wir im Moos am Ufer und bewunderten unser Werk. Mit mehr oder weniger derselben Technik bauten wir auch Dämme, um zu verhindern, dass unsere Papierschiffchen uns zu rasch entkamen, und legten an verschiedenen Stellen bachaufwärts Landeplätze an. Am Ende forderte immer das Wasser die Früchte unserer Mühen ein, manchmal allerdings erst ein, zwei Tage später. Wir ließen uns nicht entmutigen, sondern bauten die Ruinen wieder auf oder fingen etwas Neues an.
Unsere Bautätigkeit faszinierte uns grenzenlos. Material war immer zur Hand, ebenso wie die neugierigen kleinen braunen Forellen, die alle Hindernisse, die wir ihnen in den Weg setzten, seelenruhig umschifften, als hätten sie für die Neugestaltung ihrer Wasserwege durchaus etwas übrig. Papierschiffchen wurden gefaltet und von einer Miniaturinsel aus zu Wasser gelassen. Die ganze Aufmerksamkeit für die Wasserarterien, die in solcher Nähe zu einem so gewaltigen See lebten, übte eine seltsam fesselnde Wirkung aus. Wir wussten beide, dass die Bäche, in denen wir spielten, unausweichlich zum See hinstrebten und dort binnen Kurzem verschlungen wurden. Mit unserem Deich- und Inselbau, der den Prozess zwar nicht verhinderte, aber immerhin verlangsamte, sowohl für das Wasser wie für unsere Boote, kam ich mir manchmal vor wie eine freundlich gesinnte Riesin in vergeblichem Rettungseinsatz.
Von den anderen Kindern interessierte sich keines so sehr für den Wald wie Teo und ich, und weil wir zu den Jüngeren gehörten, war es ihnen vielleicht ganz recht, uns nicht dauernd in der Nähe zu haben. Außerdem war den Jungs noch immer nicht ganz wohl damit, dass Teo jetzt einer der Unsrigen war – darauf bestand mein Onkel, und er sorgte mit Nachdruck dafür. Ich weiß noch, wie er einmal zornig zu Don und Shane sagte, Teo sei ein Kind wie wir alle. Als sich daraufhin jemand auf die schwierige Verständigung berief, schrie mein Onkel die Jungen an: »Wen interessiert denn Spanisch oder Englisch! Lauft einfach los! Das tun Kinder, Himmelherrgott, sie rennen! Sie sitzen nicht rum und führen hochgestochene Diskussionen.«
In dem ersten Sommer, in dem Teo und ich anfingen, den Wald zu erkunden, hatte sich, ohne Wissen meines Onkels, ein besonders gemeiner Vorfall ereignet. Zwischen den Jungs – meinen Vettern und einigen ihrer Freunde – hatte sich
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