Der Schmetterlingsbaum
zurücksinken. Er kehrte uns den Rücken zu und tastete in den Sortierfächern dieses alten dunklen Sekretärs herum. Wir sahen, wo der Flachmann lag, sahen auch, dass er Mühe hatte, ihn zu finden, aber es wäre uns nie eingefallen, ihm etwa einen Tipp zu geben. »Ah, gut«, sagte er, als seine Hand endlich auf der zerbeulten Silberflasche zu liegen kam, die wahrscheinlich ebenfalls von seinem Groß- oder Urgroßvater stammte. »Und was halten wir dort hinten in unserem gottverlassenen Wald?« Mit dem Flachmann deutete er unbestimmt nach Norden.
»Holsteinrinder«, sagte Mandy. »Drei Stück.«
»Wer melkt sie? Wer schreibt Gedichte über sie?«
Mandy und ich schwiegen. Es gab darauf wohl keine richtige Antwort.
»Wer zum Teufel melkt sie?«
»Niemand«, flüsterte Mandy.
»Exakt.« Er entließ uns mit einem Wink. »Schreibt ihr nur eure eigenen Gedichte und schwimmt in eurem See!«
Das Anliegen, das er auf der Seele gehabt hatte, war gnädigerweise in sich zusammengefallen, und das war unsere Gelegenheit zur Flucht, vorausgesetzt, wir flohen leise. Wir sahen einander nicht an, während wir zu der Tür mit seinem Spiegelbild schlichen, als schämten wir uns beide einer begangenen oder geplanten Untat. »Geht nur hin und schwimmt in eurem See!«, hörten wir ihn uns nachrufen, während wir schweigend, die Handtücher schlaff in den Händen, über die Wiese zum Strand gingen.
Abends jedoch war er, ausgelassen, uns zugetan, machte uns auf einem Feuer am Strand ein Abendessen aus Würstchen und Bohnen, bestand nachher auf Purzelbäumen und Radschlagen im Garten, auf Fangen, Federball, Baseball in der Dämmerung, Teo wurde in der Baracke aufgestöbert und musste mitmachen, und Teos Mutter war aufgefordert, dem Treiben zuzuschauen. Zu Zeiten wie diesen standen immer ein paar Mexikaner, deren Namen wir uns nie zu lernen bemüht hatten, am Rand und sahen zu. Ihre Körper waren muskulös und robust wie startklare Motoren, gerüstet zur Arbeit und gewillt, sofort loszulegen.
Teos Mutter Dolores war ein bisschen größer als die meisten Männer, mit denen sie zusammenarbeitete, und wie sie bestand sie anscheinend nur aus glattem, festem Fleisch; wenn sie ging, bewegte sich nichts an ihrem Körper eigenmächtig, wie ich es bei meiner Mutter beobachtete. Und wenn sie hinter ihren Sohn trat und seine Schultern und seine Brust umschlang, konnte man meinen, ihre Arme seien aus poliertem Holz oder einem anderen soliden Material, völlig verschieden von den weichen sommersprossigen Armen meiner Mutter und meiner Tante. Damals fand ich alles an ihr völlig anders, obwohl sie unsere Sprache gut konnte und als eine Art Botin zwischen der Baracke der Saisonarbeiter und dem Farmhaus, zwischen den Feldern und den Plantagen agierte. Teo hatte mit meinen Cousins und mir immerhin eines gemeinsam – er war ein Kind, und als solches bewohnte er einen Raum, den ich teilweise verstehen konnte. Aber sie, seine Mutter, war allein. Ich sah sie zum Beispiel niemals lachen, soweit ich weiß, obwohl sich manchmal, wenn sie ihren Sohn ansah, ein Lächeln in ihr Gesicht stahl und es verwandelte; dann hielt sie auch den Kopf in einem bestimmten Winkel, und beides zusammen, das Lächeln, die Kopfhaltung, machte sie beinahe schön. Einmal, als wir in der Küche standen und Sandwiches mit Erdnussbutter und Marmelade machten, die wir als Picknick zu unserem Fort mitnehmen wollten, fragte ich Mandy, was mit Teos Vater sei. »Er hat keinen«, sagte sie und füllte Wasser in einen Plastikkrug mit diesem rosaroten Pulver, das sich wundersam in Himbeerlimonade verwandelte. Sie warf mir einen Blick zu, um meine Reaktion abzuschätzen, und einen flüchtigen Moment lang ähnelte ihr Gesichtsausdruck dem ihrer Mutter. »Wie du«, fügte sie hinzu. Ihre Bemerkung saß. Aber dann waren wir in unserem Spielhaus und bald viel zu beschäftigt, um an Eltern überhaupt zu denken.
Aber diese Spiele in der Abenddämmerung! Mein Onkel war ein begeisterter Mitspieler, ein fröhlicher Kollaborateur. Irgendwo hier im Haus sind noch die Fotos: alle Cousins und manchmal auch die Jungen von den umliegenden Farmen, mein Onkel Stan, Teo und gelegentlich auch der andere Onkel erstarrt in Gesten der Erwartung oder Vermeidung, gewappnet für einen Schlag, wie es scheint, oder einen Angriff oder mit gestrecktem Körper und gereckten Armen bereit, ein fliegendes Objekt zu empfangen. Auf diesen Bildern sind alle Gesichter so grimmig konzentriert, dass man unmöglich glauben kann,
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