Der Schmetterlingsthron
einnehmen.«
»Meint Ihr das ernst, Herr Rhithos?« fragte Jorian.
»Ihr werdet sehen, wie ernst ich das meine. Morgen kommt der letzte Zauber, und dabei sollt Ihr eine wichtige Rolle spielen.«
»Ihr wollt mir also die Klinge in die Brust rammen? Das ist ungerecht! Ich trag gewiss auch Schuld an Zors Entkommen, aber kein zivilisierter Mensch würde das für ein Kapitalverbrechen halten.«
»Was seid Ihr mir? Ein Insekt, das meinen Weg kreuzt und zertreten wird. Allein die Vervollkommnung meiner Kunst ist wichtig.«
»Mein Freund«, sagte Jorian mit aller Höflichkeit, die er aufbringen konnte, »wäre es nicht besser, mich nach Komilakh zu schicken, um einen anderen Affenmenschen zu holen? Ihr könntet Euch meiner Rückkehr durch einen Zauberspruch versichern, wie es Karadurs Kollegen getan haben. Außerdem werde ich die Truhe des Avlen suchen …«
»Eure Gruppe will die Truhe töricht einsetzen, also solltet Ihr Eure Reise lieber nicht antreten. Außerdem sind die nächsten vierundzwanzig Stunden astrologisch sehr günstig, was auf Jahre nicht mehr wiederkommt.« Der Waffenschmied wandte sich an das Mädchen. »Mir will scheinen, du hast zu offen mit unserem Gast gesprochen, sonst wüsste er nicht so viel über Randir! Ich werde später mit dir sprechen. Bis dahin an die Arbeit.«
»Rhithos!« rief Jorian verzweifelt. »Welcher Gruppe ich auch angehöre, dass Ihr den Diener eines Mitglieds Eurer Gemeinschaft tötet, wird Euch Ärger bringen, Karadur wird mich rächen …«
Der Schmied schnaubte verächtlich durch die Nase und verschwand in seiner Schmiede, während sich Vanora zurückzog. Dunkle Wolken sammelten sich am Himmel, und die Lichtung wirkte düsterer, als es die Bewölkung eigentlich mit sich brachte. Eine seltsame Spannung erfüllte Jorian wie zuweilen vor einem schweren Gewitter. Er wanderte nervös hin und her, versuchte sich mit Muskelkraft an den Gitterstäben und testete die Stärke des Käfigdaches, doch es fruchtete nichts.
Als es dämmerte, schob ihm Vanora einen Krug Wasser und einen Brotlaib in den Käfig. »Seid still!« flüsterte sie. »Rhithos wäre wütend, wenn er wüsste, dass ich seine Lebensmittel verschwende, wie er sagen würde. Er wird mich ohnehin auspeitschen, weil ich Euch von dem Schwertzauber erzählt habe. Er erinnert sich nie an einen Gefallen oder vergisst ein Unrecht.«
»Ein unangenehmer Kerl. Kannst du mich hier herausholen?«
»Nach dem Essen, wenn er sich auf seine magische Arbeit konzentriert.«
»Ich dachte, morgen findet der letzte Zauber statt.«
»Das ist richtig; aber heute Abend muss der vorletzte Spruch angebracht werden.«
Der Schmied aß früh und kehrte dann in seine Werkstatt zurück, aus der bald Trommelschlag und Zaubergesang erschallten. Rings um den Schuppen schienen sich die Schatten noch weiter zu vertiefen. Als es ganz dunkel wurde, tönten ungewöhnliche Geräusche aus der Schmiede – vor allem ein unmenschliches Krächzen. Jorian lauschte angstvoll.
Nach einiger Zeit erschien Vanora vor dem Käfig; sie war nur undeutlich auszumachen. »Nimm das!« flüsterte sie und hob eine zitternde Hand. »Und lass es nicht fallen, damit es nicht im Schlamm versinkt.«
Es war der Dietrich, mit dem Jorian am Tag zuvor die Käfigtür geöffnet hatte. »Du hast das Ding bei Zors Flucht fallen lassen, und Rhithos hat es nicht gesehen.«
Jorian tastete nach dem Schlüsselloch und steckte den Draht hinein. Mit zitternder Hand drehte er und öffnete die Tür.
»Hier!« sagte Vanora und schob ihm etwas Kaltes in die Hand. Es war der Griff eines Pallsch. »Du musst Rhithos töten, solange er noch in seine Zauberei versunken ist.«
»Könnten wir nicht einfach nach Othomae fliehen?«
»Schwächling! Sei endlich ein Mann! Rhithos ist durch seine Magie geschwächt.«
»Das gefällt mir nicht; ich mag nicht gern ohne Notwendigkeit töten. Warum können wir nicht einfach durch den Wald fliehen?«
»Weil Rhithos sofort ein Zaubernetz auswirft, sobald er von unserer Flucht erfährt, ein Netz, das uns zurückhält. Oder er schickt seine Dämonen aus. Seine Kräfte reichen fünf Meilen weit, und weiter draußen helfen ihm die Silvaner, die uns auf sein Kommando mit ihren vergifteten Pfeilen töten. Die Flucht wäre also gefährlich, und es bleibt uns nichts anderes übrig, als ihn zu töten, und zwar schnell.«
Jorian wog eine kurze, gekrümmte Klinge in der Hand. »Nicht gerade die ideale Waffe, zumal er Randir griffbereit hat. Ich brauchte etwas
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