Der Schnee war schmutzig
anbietet, ihm Uhren zu besorgen, will er lieber gar nicht wissen, woher sie kommen, noch wie er sie beschaffen will.
Dennoch beunruhigt es ihn. Vor allem Frank selber beunruhigt ihn, die Art, wie er ganz kalt eine Entscheidung trifft.
»Warum nimmst du nicht irgendeinen Wagen, der auf der Straße steht?«
Das wäre natürlich das einfachste, und da es nur dreißig Kilometer sind, die er in der Nacht zu fahren hat, riskiert er dabei nicht viel. Aber Frank will nicht gestehen, daß er nicht fahren kann.
»Verschaff mir einen Wagen mit einem zuverlässigen Fahrer, und ich werde dir die Uhren besorgen.«
»Was hast du heute gemacht?«
»Ich bin im Kino gewesen.«
»Mit einem Mädchen?«
»Wie immer.«
»Hast du’s mit ihr getrieben?«
Kromer ist ein lasterhafter Kerl. Er läuft den jungen Mädchen nach, vor allem den armen Mädchen, weil das einfacher ist, und er sucht sich immer die jüngsten aus. Er liebt es, mit geblähten Nüstern und dicken Lippen davon zu sprechen, wobei er die ordinärsten Worte benutzt und die intimsten Einzelheiten preisgibt.
»Kenne ich sie?«
»Nein.«
»Wirst du sie mir vorstellen?«
»Vielleicht. Sie ist noch Jungfrau.«
Kromer rutscht auf seinem Stuhl unruhig hin und her und feuchtet die Spitze seiner Zigarre an.
»Liegt dir viel an ihr?«
»Nein.«
»Dann gib sie mir.«
»Werd’s mir überlegen.«
»Ist sie jung?«
»Sechzehn. Sie lebt bei ihrem Vater. Denke an den Wagen.«
»Ich werde dir morgen Bescheid sagen. Komm gegen fünf zu Leonhard.«
Das ist eine andere Bar, in der sie verkehren, aber da sie in der Oberstadt liegt, muß Leonhard um zehn Uhr abends schließen.
»Erzähl, was ihr beide im Kino gemacht habt. Timo, eine Flasche … Also leg los.«
»Immer das gleiche … Ihr Strumpf, ihr Strumpfhalter, dann …«
»Was hat sie gesagt?«
»Nichts.«
Er wird jetzt gehen. Wahrscheinlich hat seine Mutter Minna dabehalten. Sie läßt die Mädchen nicht gern in den ersten Tagen wieder gehen, weil manche nicht wiederkommen.
Er wird sich zu ihr ins Bett legen, und im Grunde wird das genauso sein, als ob es Sissy wäre. Im Dunkeln wird er den Unterschied nicht merken.
4
Frank geht, die Hände in den Taschen, mit hochgeschlagenem Mantelkragen durch die am hellsten erleuchtete Straße der Stadt, in der es aber dennoch dunkle Winkel gibt. Er hat sich erst für eine halbe Stunde später verabredet.
Es ist Donnerstag. Am Dienstag hat Kromer der Uhren wegen mit ihm gesprochen. Am Mittwoch, als er ihn um fünf bei Leonhard traf, hat er ihn gefragt: »Immer noch entschlossen?«
Für ältere Menschen muß es merkwürdig sein, wenn sie sehen, wie sich diese jungen Männer mit soviel Ernst unterhalten. Aber es geht ja dabei auch weiß Gott um ernste Dinge! Frank sieht sich im Spiegel, ruhig und blond.
»Hast du den Wagen?«
»In fünf Minuten kann ich dir den Fahrer vorstellen. Er wartet gegenüber.«
Ein gewöhnlicheres, lauteres Lokal, wo man jedoch noch annehmbare Getränke bekommt. Ein Mann erhebt sich. Er mag dreiundzwanzig oder vierundzwanzig Jahre alt sein, ist sehr mager und sieht trotz seiner Lederjacke wie ein Student aus.
»Das ist er«, sagt Kromer, auf Frank deutend.
Und dann zu Frank:
»Karl Adler. Du kannst dich auf ihn verlassen. Ein prima Kerl.«
Sie haben einen gehoben, weil man in solchen Fällen immer einen hebt.
»Und der andere?« hat Frank leise gefragt.
»Ach so, ja. Muß er …«
Er zögert. Er nennt die Dinge nicht gern beim Namen. Es gibt Worte, die man lieber nicht ausspricht, die manche aus Aberglauben aus ihrem Wortschatz gestrichen haben.
»Wird es eine harte Arbeit sein?«
»Ist kaum anzunehmen.«
Kromer, der jeden Menschen kennt, sieht sich um. Er sucht sich im Qualm des Lokals ein Gesicht aus und verschwindet für einen Augenblick mit einem Mann auf der Straße. Als er wiederkommt, begleitet ihn ein Kerl mit einem groben Gesicht, ein richtiger Mann aus dem Volk. Frank hat seinen Namen nicht verstanden.
»Wie lange wird es dauern? Er muß um zehn wieder bei seiner Mutter sein. Später macht der Portier nicht mehr auf, und seine Mutter, die krank ist, braucht ihn oft nachts.«
Beinahe hätte Frank auf sein Vorhaben verzichtet, nicht dieses zweiten Mannes wegen, sondern wegen Adler, der, solange sie beide allein warteten, kein einziges Wort gesagt hat. Er ist sich dessen nicht sicher, aber er würde schwören, ihn schon einmal mit dem Geigenspieler aus dem ersten Stock zusammen gesehen zu haben. Wo, weiß er allerdings
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