Der Schnee war schmutzig
mit den dicken blauen Adern darauf.
Er, der sonst immer so ruhig ist, muß sich zu brüsk zu Stan umgedreht haben, und dabei ist ihm das Tuch vom Gesicht gerutscht. Bevor er es aufheben und wegblicken kann, hat sie ihn erkannt.
»Frank!« ruft sie. »Der kleine Frank!«
Mit harter Stimme wiederholt er: »Die Uhren …«
»Ich weiß ja, daß du sie schließlich doch findest. Du hast immer erreicht, was du wolltest. Tu mir aber nichts. Ich will es dir ja sagen … Mein Gott, Frank. Es ist der kleine Frank …«
Obgleich sie sich jetzt sicherer fühlt, hat sie mehr Angst als zuvor. Sie hat ihre Starrheit verloren, und man spürt, daß ihr Gehirn wieder zu arbeiten beginnt. Sie schlurft durch den Flur zur Küche, wo er den Korbsessel sieht, auf dem eine dicke rotbraune Katze zusammengerollt auf dem roten Kissen liegt.
Sie scheint mit sich selbst zu sprechen, oder sie betet, während sie aufgeregt herumfuchtelt. Vielleicht will sie nur Zeit gewinnen. Bisweilen beobachtet sie verstohlen Stan und fragt sich wohl, ob sie ihn nicht eher rühren könnte.
»Was willst du denn damit anfangen? Wenn ich denke, wie mein armer Bruder sich freute, wenn er sie dir zeigte, sie dir nacheinander ans Ohr hielt und sie läuten ließ. Und daß ich immer Bonbons für dich hatte … Sieh mal, die Dose steht noch auf dem Kamin, aber sie ist leer. Man bekommt keine Bonbons mehr. Man bekommt überhaupt nichts mehr. Es wäre das beste, man stürbe …«
Sie weint. Auf ihre Art. Aber sie weint. Und das ist möglicherweise wieder eine List.
»Die Uhren!«
»Er hat sie, bei all dem, was passiert ist, immer wieder anderswo versteckt … Ein ganzes Jahr ist er nun schon tot, und du hast es noch nicht gewußt! Man weiß ja überhaupt nichts mehr … Wenn er hier wäre, bin ich sicher, daß …«
Wessen ist sie sicher?
Es ist grotesk. Es ist Zeit, zum Schluß zu kommen. Adler wird gewiß schon ungeduldig und bringt es womöglich fertig, allein wegzufahren.
»Wo sind die Uhren?«
Sie stochert im Ofen, kehrt ihm dabei, wie er merkt, absichtlich den Rücken zu und ruft dann wütend:
»Unter der Fliese.«
»Unter welcher Fliese?«
»Du weißt es doch genau. Unter der mit dem Spalt, der dritten …«
Stan ist in der Küche geblieben, um die Alte zu überwachen, während Frank ein Werkzeug sucht, um die Fliese im Flur abnehmen zu können. Sie hat Stan Kaffee angeboten. Frank hat gehört, wie sie zu ihm sagte: »Fast jeden Tag kam er zu uns, und ich hatte immer Plätzchen in der Dose da.«
Dann hat sie leiser hinzugefügt, als ob sie nicht mit einem Mann spräche, dessen untere Gesichtshälfte von einem Tuch verdeckt ist:
»Mein Gott, mein Herr, es ist doch nicht möglich, daß er ein Dieb geworden ist! Und bewaffnet ist er auch! Ist sein Revolver denn geladen?«
Frank hat die Uhren in ihren Schachteln, die in Leinwand eingewickelt waren, gefunden. Mit schneidender Stimme ruft er: »Stan!«
Sie können jetzt wieder gehen. Es ist alles erledigt. Blöde stammelt die Alte: »Glauben Sie nicht, daß er eine Tasse Kaffee annehmen wird?«
»Stan!«
Sie klammert sich an sie, folgt ihnen auf den Flur hinaus. »Gott, was man nicht alles erlebt! Und ich, die …«
Sie brauchen nur noch aus dem Haus zu gehen und zu dem Lieferwagen, der knapp zweihundert Meter entfernt auf sie wartet. Auch wenn die alte Frau die Kraft hätte, so laut zu schreien, daß die Nachbarn aufmerksam würden, hätte das nichts zu bedeuten. Denn im Dorf hat niemand Benzin, und nachts geht das Telefon nicht.
Frank hat die Tür halb geöffnet und sieht den Platz im Mondschein liegen. Nichts regt sich. Er sagt zu seinem Begleiter: »Geh schon.«
Der andere weiß, was das bedeutet. Die Alte hat Frank ohne Maske gesehen. Sie kennt ihn. Es gibt Fälle, in denen man auf den Schutz der Besatzungsmacht zählen kann. In anderen lassen sie einen einfach fallen, man weiß nicht warum, und die Polizei macht sich das zunutze. Man lernt die Besatzungsmacht zwar mit jedem Tag besser kennen, aber trotzdem wird man aus ihrem Verhalten nicht recht klug. Im Grunde ist niemand sicher.
Stan geht einige Schritte mit dem Sack im Arm, der die Uhren enthält. Man hört das Knirschen des verharschten Schnees.
Die Tür hat sich hinter ihm geschlossen. Er hat bestimmt den dumpfen Knall gehört. Nun öffnet sich die Tür wieder. Er sieht ein gelbliches helles Viereck, das immer kleiner wird, bis es ganz verschwindet.
Schritte kommen auf ihn zu. Eine Hand greift im Dunkel nach dem Sack.
Als sie
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