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Der Schnee war schmutzig

Der Schnee war schmutzig

Titel: Der Schnee war schmutzig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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zu waschen, denn in der Wohnung ist nur ein Badezimmer, und das wird am Nachmittag für die Kunden und die Mädchen gebraucht.
    Aber diesmal hat sie nichts gesagt. Obwohl sie in der Nacht bestimmt den Lärm gehört hat, den Minna und er gemacht haben. Minna sieht mitgenommen und verängstigt aus. Sie steht die ganze Zeit entweder am Fenster, als wäre sie darauf gefaßt, jeden Augenblick die Polizei kommen zu sehen, oder blickt ihm in die Augen, enttäuscht, daß er sich nur wegen der Erkältung Gedanken macht, die er sich zugezogen zu haben glaubt. Er nimmt eine Aspirintablette nach der anderen, tut Tropfen in die Nase und vertieft sich mit mürrischer Miene wieder in seine Lektüre.
    Sissy hat ihn gewiß erwartet. Mehrmals, besonders nachdem Holst gegangen war, hat Frank auf den Wecker gesehen, der auf dem Ofen steht. Er hat sich aber nicht vom Fleck gerührt. Wie immer hat es in der Wohnung ein Kommen und Gehen gegeben. Stimmen hinter den Türen und Geräusche, die ihm wohlbekannt sind. Kein einziges Mal jedoch hat ihn die Neugier gereizt, auf den Tisch zu klettern und durch das Guckfenster zu sehen. Minna ist splitternackt hereingekommen, hat sich mit einer Hand den Unterleib bedeckt und hat sich eine Kanne heißes Wasser geholt, aber es ist ihr nicht gelungen, seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
    Als es draußen dunkel wurde, hat er sich schließlich angezogen. Er ist an Hoists Tür vorübergegangen. Er könnte schwören, daß sich die Tür bewegt hat, daß Sissy dahinterstand, bereit, ihm aufzumachen. Aber er hat seinen Weg ruhig fortgesetzt und seine Zigarette geraucht, die nach Menthol schmeckte.
    Kromer kam erst nach sieben zu Leonhard. Er gab sich Mühe, seine Erregung zu verbergen.
    »Ich habe den General gesprochen.«
    Frank zuckte nicht mit der Wimper.
    Kromer hat eine große Summe genannt.
    »Die Hälfte für mich, die Hälfte für dich, und ich übernehme die beiden Männer.«
    Kromer versucht schon wieder, vor ihm den bedeutenden und sehr beschäftigten Mann zu spielen.
    »Ich will sechzig Prozent haben«, sagt Frank.
    »Einverstanden.«
    Der andere denkt, daß er ihn trotzdem übers Ohr hauen wird, da Frank den General nicht sieht und also auch nicht erfährt, was er gezahlt hat.
    »Nein, lassen wir es doch bei fünfzig. Aber ich will einen grünen Ausweis haben.«
    Kromer hat selber keinen. Frank hat das zweifellos nur gesagt, weil dieser Ausweis am schwersten zu beschaffen ist. Man kriegt ihn nie richtig zu sehen. Ein Mann wie Ressl hat bestimmt einen, hütet sich aber wohlweislich, ihn zu zeigen. Es gibt Ausweise für Autos, dann Ausweise, die einen dazu berechtigen, die ganze Nacht draußen zu sein, und schließlich jene, die dem Inhaber gestatten, bestimmte Gebiete zu betreten. Der grüne Ausweis mit Lichtbild und Fingerabdrücken, Unterschrift des Kommandanten und des Chefs der Politischen Polizei macht es allen Behörden zur Pflicht, den Inhaber ungehindert seinen Auftrag durchführen zu lassen. Mit anderen Worten, niemand hat mehr das Recht, einen zu durchsuchen. Wenn die Streifen einen grünen Ausweis gezeigt bekommen, stehen sie stramm und entschuldigen sich für alle Fälle, weil man nicht wissen kann …
    Es ist merkwürdig, daß Frank vor seinem Zusammentreffen mit Kromer nie auf den Gedanken gekommen ist, sich diesen Ausweis zu beschaffen. Es ist ihm plötzlich eingefallen, als sie von den Prozenten sprachen und er sich überlegte, was er Außergewöhnliches fordern könnte. Und ebenso seltsam ist es, daß Kromer nach einem Augenblick der Verblüffung nicht in schallendes Lachen ausbricht und Einwände macht.
    »Ich kann ja einmal mit ihm deswegen sprechen.«
    »Weißt du, es wird werden, wie es dein General will. Du kannst es tun oder lassen. Wenn er auf die Uhren Wert legt, muß er wissen, was er zu tun hat.«
    Er wird seinen grünen Ausweis bekommen, daran zweifelt Frank nicht.
    »Wie ist es mit der Kleinen?«
    »Nichts Neues.«
    »Hast du noch mal was mit ihr gehabt?«
    »Nein.«
    »Überläßt du sie mir?«
    »Vielleicht.«
    »Ist sie nicht zu mager? Ist sie auch sauber?«
    Warum ist Frank jetzt so gut wie sicher, daß die Geschichte von dem in der Scheune erdrosselten Mädchen eine reine Erfindung ist? Es ist ihm aber gleichgültig. Er verachtet Kromer, und der Gedanke belustigt ihn, daß ein Mann wie Kromer sich abmühen wird, um ihm einen grünen Ausweis zu besorgen, den er für sich selbst nicht zu fordern wagen würde.
    »Sag mal, dein Karl Adler, was ist das für

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