Der Schnee war schmutzig
beide ruhig und ernst geblieben, ohne Haß zu zeigen, aber es war wie eine große Leere zwischen ihnen.
Seine Mutter würde sich noch mehr beunruhigen, wenn sie erführe, daß er absichtlich jeden Tag, manchmal zweimal am Tag, in das kleine Café an der Straßenbahnhaltestelle geht, zu dem man eine Stufe hinuntersteigen muß. Es grenzt geradezu an Herausforderung, denn er hat dort gar nichts zu suchen. Die Stammgäste verstummen, sobald er eintritt, und blicken ostentativ weg. Der Wirt, Herr Kamp, der fast immer mit ihnen zusammen am Tisch sitzt – oft spielen sie Karten –, erhebt sich nur ungern, um ihn zu bedienen.
Am Montag hat Frank seinen Verzehr mit einem großen Geldschein bezahlt, den er aus seinem Bündel genommen hat.
»Tut mir leid«, hat Herr Kamp gesagt, während er ihm den Schein wieder hinschob, »ich kann nicht herausgeben.«
Frank hatte den Schein auf der Theke liegenlassen und ihm beim Hinausgehen nur zugerufen: »Behalten Sie den Rest.«
Am Dienstag hätte er schwören können, daß die Stammgäste schon auf ihn warteten, und es hat ihn dabei leicht geschaudert. Es ergeht ihm jetzt manchmal so. Einmal muß ja etwas passieren; man kann nur nicht voraussehen, wann und auch nicht genau, was. Es kann ebenso hier in diesem altmodischen, ruhigen kleinen Café wie anderswo sein. Warum haben die Stammgäste Herrn Kamp so seltsam angesehen, mit einem kaum verhaltenen Lächeln?
Der Wirt hat Frank stumm bedient. Und als Frank dann bezahlen wollte, hat er einen Umschlag vom Regal genommen, der dort zwischen zwei Flaschen stand, und ihn ihm gegeben.
Frank hat Scheine und Kleingeld in dem Umschlag gefühlt. Es war das Wechselgeld für den großen Schein vom Tag zuvor.
Er hat sich bedankt und ist gegangen. Trotzdem kommt er wieder. Auch mit Timo hätte er sich beinahe verkracht. Es war zwei Uhr morgens. Er hatte viel getrunken. In einer Ecke sah er einen Mann neben einer Frau sitzen, dessen Gesicht ihm nicht gefiel. Frank, der an der Theke stand, hat Timo seinen Revolver gezeigt und gesagt: »Wenn der Kerl weggeht, knalle ich ihn nieder.«
Timo hat ihn wütend angesehen.
»Du bist wohl verrückt.«
»Ich bin nicht verrückt. Sein Gesicht gefällt mir nicht, und ich knalle ihn nieder.«
»Gib nur acht, daß ich dir nicht meine Faust mitten ins Gesicht knalle.«
»Wie bitte?«
»Ich schätze die Manieren nicht, die du dir neuerdings angewöhnst. Das kannst du anderswo machen, aber nicht bei mir. Ich warne dich. Wenn du dem Mann was tust, lasse ich dich sofort hochgehen. Außerdem wirst du fortan dein Spielzeug gefälligst draußenlassen, sonst kommst du mir nicht mehr hier herein. Und wenn ich dir noch einen Rat geben darf, dann sauf nicht so viel. Das steigt dir zu Kopf, und das paßt nicht zu deinem Alter.«
Timo ist allerdings ein wenig später zu ihm gekommen und hat sich entschuldigt. Er hat diesmal vernünftig mit ihm gesprochen.
»Ich bin vielleicht vorhin etwas grob gewesen, aber das ist nur zu deinem Besten. Sogar dein Freund Kromer findet, daß du gefährlich wirst. Von euren Geschäften will ich nichts wissen. Ich weiß nur, daß du dir seit einiger Zeit einbildest, du hättest es geschafft. Hältst du es für klug, jedem deine Banknotenbündel zu zeigen? Glaubst du, die Leute wissen nicht, womit man soviel Geld verdient?«
Frank hat seinen grünen Ausweis gezeigt. Timo schien der aber wenig zu imponieren. Er war höchstens verlegen. Er hat ihm gesagt, er solle den Ausweis wieder einstecken.
»Auch den solltest du lieber nicht so oft zeigen.«
Er hat noch ein drittes Mal davon angefangen. Ein Gespräch mit Timo wird immer wieder unterbrochen, weil ihn die Gäste von allen Seiten rufen.
»Hör mal, mein Lieber. Ich weiß, du wirst behaupten, ich sei neidisch, aber ich sage dir trotzdem, was ich dir sagen muß. Ich behaupte nicht, daß solch ein Ausweis wertlos ist. Es kommt aber darauf an, wie man ihn benutzt. Und es ist da noch etwas Komplizierteres.«
Er hatte keine Lust, es näher zu erklären.
»Was?«
»Wozu davon reden? Man redet viel zuviel davon. Ich stehe mich gut mit ihnen. Sie lassen mich in Ruhe. Es gibt welche unter ihnen, die mir Ware bringen und die sich geschäftlich korrekt benehmen. Vielleicht weil ich viele von der verschiedensten Art von ihnen sehe, errate ich manches.«
»Was?«
»Ich will dir einen Fall erzählen. Vor etwa einem Monat saß hier am dritten Tisch ein höherer Offizier, ein Oberst, ein gutaussehender junger temperamentvoller Bursche, der die
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