Der Schnee war schmutzig
verhaften.«
»Schade.«
»Was?«
»Daß Sie nur mit einem Ohr hinhören.«
»Warum?«
»Weil ich gern verhaftet werden würde, besonders von Ihnen.«
»Frank, du weißt doch, daß man dich nicht verhaften kann«, wendet Lotte ein.
Sie muß wirklich Angst haben, denn mit einem herausfordernden Blick auf den Kommissar fügt sie hinzu: »Bei dem Ausweis, den du hast.«
»Gerade deshalb«, sagt er.
»Wie meinst du das?«
»Genau so, wie ich es gesagt habe.«
Er gießt sich einen Schnaps ein und stößt mit Kurt Hamling an. Sie scheinen beide an die Tür gegenüber zu denken.
»Auf Ihr Wohl, Herr Kommissar.«
»Auf das Ihre, junger Mann.«
Warum kommt Hamling auf seinen Gedanken zurück?
»Ich habe wirklich geglaubt, Sie seien auf dem Land.«
»Ich habe nie die Absicht gehabt, aufs Land zu fahren.«
»Schade. Ihre Mutter ist im Grunde eine brave Frau.«
»Finden Sie?«
»Ich weiß, was ich sage. Ihre Mutter ist eine brave Frau, und es wäre unrecht von Ihnen, daran zu zweifeln.«
Frank grinst.
»Ich zweifle an so vielen Dingen, wissen Sie.«
Arme Lotte, die ihm vergeblich ein Zeichen macht, zu schweigen. Sie weiß nicht, was sie machen soll. Sie kann es nicht fassen, daß die beiden Männer nahe daran sind, sich in die Haare zu kriegen, aber dennoch spürt sie deutlich, daß es nach einer Kriegserklärung aussieht.
»Wie alt sind Sie, mein Junge?«
»Obwohl ich nicht Ihr Junge bin, will ich Ihnen antworten, daß ich achtzehn bin und bald neunzehn werde. Gestatten Sie, daß ich Ihnen auch eine Frage stelle. Wenn ich mich nicht täusche, sind Sie Kommissar.«
»Das ist mein Titel.«
»Seit wann?«
»Ich bin vor sechs Jahren dazu ernannt worden.«
»Wie viele Jahre sind Sie schon bei der Polizei?«
»Im nächsten Juni achtundzwanzig.«
»Sehen Sie, ich könnte Ihr Sohn sein. Ich schulde Ihnen Respekt. Achtundzwanzig Jahre lang den gleichen Beruf auszuüben, das ist eine lange Zeit, Herr Hamling.«
Lotte will den Mund öffnen, um ihrem Sohn Schweigen zu gebieten, denn er überschreitet die gebotenen Grenzen, und es wird ein böses Ende nehmen. Aber Frank füllt die Gläser wieder und reicht eines freundlich dem Kommissar.
»Auf Ihr Wohl.«
»Auf das Ihre.«
»Auf Ihre achtundzwanzig Jahre treuer Pflichterfüllung.«
Sie sind bedenklich weit gegangen. Es ist schwer, in diesem Ton fortzufahren, aber noch schwerer, umzukehren.
»Prost.«
»Prost.«
Es ist Kurt Hamling, der den Rückzug antritt.
»Meine liebe Lotte, es wird Zeit, daß ich gehe, denn in meinem Büro warten bestimmt schon viele Leute auf mich. Pflegen Sie den Jungen gut.«
Er geht mit seinem breiten Rücken und seinen eckigen Schultern hinaus. Seine Gummischuhe hinterlassen auf jeder Treppenstufe feuchte Spuren.
Er ahnt nicht, daß er Frank eben den größten Dienst erwiesen hat, den er ihm erweisen konnte: seit einigen Minuten denkt Frank nicht mehr an die Katze.
3
Am Donnerstag kam es zu dem Krach mit Berta. Es war gegen Mittag, und Frank schlief noch, denn er war erst um vier Uhr früh nach Hause gekommen. Es war das drittemal seit dem Sonntag. Und die Tatsache, daß er so lange im Bett blieb, daß dadurch die Arbeit in der Wohnung durcheinandergeriet, mag zum Teil die Ursache des Streites gewesen sein. Später dachte er gar nicht mehr daran, sich danach zu erkundigen.
Er hatte viel getrunken. Er hatte es sich in den Kopf gesetzt, zwei Paare durch die Lokale zu führen. Er kannte diese Paare nicht, hatte sie jedoch zum Trinken eingeladen und zog jedesmal beim Zahlen sein dickes Banknotenbündel aus der Tasche. Als die Streife sie anhielt, weil sie auf der Straße sangen, hatte er seinen grünen Ausweis vorgezeigt, und man hatte sie weitergehen lassen.
In der Wohnung war ein neues Mädchen, um das man sich nicht bemühte, sondern das sich ganz von selbst mit einer ruhigen Sicherheit eingefunden hatte. Mit Vornamen hieß sie Anny.
»Haben Sie schon gearbeitet?« hatte Lotte sie gefragt, wobei sie sie von Kopf bis Fuß musterte.
»Meinen Sie, ob ich viel mit Männern verkehrt habe? In der Hinsicht können Sie beruhigt sein. Ich weiß mehr als gut Bescheid.«
Als Lotte sie nach ihren Familienverhältnissen fragte, hatte sie geantwortet:
»Was möchten Sie lieber hören, daß ich die Tochter eines höheren Offiziers oder eines hohen Beamten bin? Wenn ich irgendwo Angehörige habe, dann können Sie sich jedenfalls darauf verlassen, daß Sie mit ihnen keine Scherereien bekommen.«
Neben den anderen, die bisher dagewesen
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