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Der Schnee war schmutzig

Der Schnee war schmutzig

Titel: Der Schnee war schmutzig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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dem Schauspiel zusah.
    »Ein Schmutzfink, ja, der sind Sie! Ein Lump, der glaubt, ihm sei alles erlaubt, weil seine Mutter ein Bordell hat … Hier kann man Schweinereien erleben, die das verdorbenste Mädchen erröten ließen. Lassen Sie mich los, Sie, sonst schrei ich, so laut ich kann. Da werden schon die Nachbarn kommen. Weder mit Ihrem Revolver noch mit Ihrem verdammten Ausweis werden Sie sie abschütteln, wenn die Ihnen einmal nachsetzen …«
    »Frank!«
    Er ließ sie los. Seine zerkratzte Wange blutete ein wenig.
    »Warten Sie nur, bis sie Sie in der Falle haben. Lange dauert das nicht mehr. Es werden nicht immer fremde Soldaten im Land sein, um Sie zu schützen, Sie und Ihresgleichen.«
    »Kommen Sie, Berta, ich will Sie auszahlen.«
    »Ich gehe, wenn es mir paßt. Ihr werdet euch morgen früh schön wundern, alle miteinander, wenn niemand mehr hier ist, um euch euren Kaffee zu kochen und eure Nachttöpfe auszuleeren. Wenn ich denke, daß ich auch noch Fleisch und Wurst von meinen Eltern mitbringen sollte!«
    »Kommen Sie, Berta.«
    Ein letztes Mal wandte sie sich Frank zu und fauchte ihm zum Abschied mit funkelnden Augen ins Gesicht:
    »Feigling! Dreckiger kleiner Feigling!«
    Dabei war sie, wenn er mit ihr schlief, fast mütterlich zärtlich zu ihm gewesen.
     
    Vermutlich wird Berta nichts sagen. Aber Lotte ist beunruhigt; obwohl sie schon ganz anderes erlebt hat. Schon zwanzigmal ist es bei ihr zu solchen Auftritten gekommen, aber sie haben nie Folgen gehabt. Sie hat versucht zu horchen, als Berta mit ihren Sachen die Treppe hinunterging. Sie wollte wissen, ob sie mit den Mietern oder mit dem Portier sprechen würde.
    Das war zwar unwahrscheinlich, denn Berta wird ebenso schief angesehen wie sie. Hat der Bengel sie nicht angespuckt? An ihr würde man sich am ehesten vergreifen.
    Man sieht Berta an der Ecke auf die Straßenbahn warten. Vielleicht bereut sie schon, was sie getan hat.
    Lotte bereut es noch mehr. Wenn auch Berta die Männer nicht gerade begeisterte, so befriedigte sie sie immerhin, und außerdem besorgte sie fast den ganzen Haushalt.
    Das wird nun Minna tun. Aber Minna ist nicht kräftig, und sie hat immer noch Schmerzen. Was Anny betrifft, so kann man bestenfalls hoffen, daß sie morgens ihr Bett selber macht.
    Jemand muß auch einkaufen und in der Schlange stehen, wobei man nicht umhin kann, mit den Leuten aus dem Viertel und bisweilen mit den Mietern aus dem Haus zusammenzukommen.
    »Du hättest sie nicht ohrfeigen dürfen. Aber nun ist es einmal geschehen …«
    Ihr fallen die blasse Gesichtsfarbe und die dunkel umrandeten Augen ihres Sohnes auf. Nie hat Frank so viel getrunken. Nie ist er so viel ausgegangen, ohne zu sagen, wohin, mit einem harten Blick und immer mit seinem geladenen Revolver in der Tasche.
    »Glaubst du, daß es klug ist, das Ding immer bei dir zu tragen?«
    Er gibt sich nicht die Mühe, darauf zu antworten oder auch nur die Schultern zu zucken. Er hat eine neue Angewohnheit, die schon geradezu zu einem Tick geworden ist: er sieht die Leute, die mit ihm sprechen, so an, als sähe er sie überhaupt nicht und hätte nichts gehört.
    Nicht ein einziges Mal ist er Holst auf der Treppe begegnet. Dabei geht Frank jeden Tag fünf- bis sechsmal die Treppe hinunter und hinauf, viel öfter als früher. Anscheinend hat sich Holst von der Straßenbahngesellschaft beurlauben lassen, um seine Tochter pflegen zu können. Frank hat angenommen, daß er die Einkäufe machen und die Arzneien für seine Tochter besorgen müsse. Aber sie haben es offensichtlich anders eingerichtet. Schon am frühen Morgen klopft der alte Wimmer bei seinen Nachbarn und macht für sie die Besorgungen.
    Einmal war die Tür halb offen geblieben, und Frank hatte im Vorübergehen gesehen, wie er sich eine Schürze umgebunden hatte und den Haushalt besorgte.
    Der Arzt kommt einmal am Tag gegen zwei Uhr. Frank richtet es so ein, daß er ihm begegnet, als er wieder weggeht. Es ist ein verhältnismäßig junger Mann, der fast wie ein Sportler wirkt. Er scheint nicht besorgt zu sein. Es handelt sich allerdings auch nicht um seine Tochter oder seine Frau. Ob auch Holst krank ist? Frank hat es eine Weile gedacht, aber am Mittwoch, als er in die Straßenbahn steigen wollte, hat er sich unwillkürlich zu dem Fenster umgedreht und ihn dort stehen sehen. Von weitem haben sich ihre Blicke gekreuzt. Frank ist davon überzeugt. Es konnte sich zwar nichts weiter ereignen, und dennoch hat Frank dieser Anblick erregt. Sie sind

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