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Der Schneesturm

Der Schneesturm

Titel: Der Schneesturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Sorokin
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harter Arbeit ruht. Sein schmales, erhitztes Gesicht strahlte Wärme ab.
    »Zigarette?«, fragte er den Krächz.
    »Danke sehr, der Herr, wir rauchen nich.« Der Fuhrmann riss an den Zügeln, die Pferdchen zogen schwerfällig an.
    »Ach ja?«
    »Hat sich so ergeben«, sagte der Krächz und lächelte sein Vogellächeln, das jetzt etwas erschlafft schien. »Wodka ja, Tabak nein.«
    »Auch gut!«, lachte der Doktor ebenso schlapp und blies den Rauch aus vollen Backen in die Luft.
    Die Pferdchen zogen sachte an, das Mobil glitt über die zugewehte Straße, bahnte sich seinen Weg. Der Wald hatte gleich hinter der Schlucht aufgehört; vor ihnen lag, im wirbelnden Schnee nur schwach zu erkennen, das weite, leicht abschüssige Feld mit wenigen Inselchen aus Buschwerk und Weidengehölz.

    Der Krächz klatschte einen Fäustling auf die Plane über der Kaube. »Müde gerackert, die Pferdis«, stellte er fest. »Latte. Gleich hebt ihr ab.«
    Die Straße zog eine weite Kurve nach links; glücklicherweise gab es in Abständen wieder Wegstangen.
    »Gleich kommt das Wehr, von da geht die Straße direkt über Nowy Les, lässt sich gar nich verfehln«, erklärte der Krächz.
    »Nur zu, mein Lieber«, trieb der Doktor ihn an.
    »Solln sie noch bisschen verschnaufen, dann geht die Post ab.«
    Nur langsam erholten sich die Pferdchen von dem strapaziösen Anstieg, zogen das Mobil eher gemächlich voran. So zuckelten sie an die zwei Werst; inzwischen war es schon beinahe ganz dunkel. Immer noch fiel Schnee, doch der Wind hatte sich gelegt.
    »Da ist das Wehr!« Der Krächz wies mit der Peitsche voraus, und der Doktor meinte in Fahrtrichtung etwas wie einen vom Schnee verwehten großen Heuschober zu sehen.
    Im Näherkommen wurde aus dem Heuschober eine Brücke über einen kleinen Fluss. Das Mobil wollte sie gerade überqueren, da hörte man unter dem Boden etwas schleifen. Der Krächz fasste nach dem Lenkscheit, suchte zu richten, doch das Mobil zog jäh nach rechts und rutschte von der Brücke, stieß in eine Schneewehe und blieb darin stecken.
    »Verdammte Hacke«, ächzte der Krächz.
    »Etwa wieder die Kufe?«, murmelte der Doktor.
    Der Krächz sprang ab.
    »Zuuu-rück! Zuuu-rück, sag ich! Geht! Geht!«
    Gehorsam gingen die Pferde rückwärts. Der Krächz half ihnen, indem er sich gegen die Schnauze des Mobils stemmte. Es gelang, das Mobil aus der Wehe zu rücken.Der Krächz verschwand hinter Schneeschleiern, tauchte aber recht bald wieder auf.
    »Die Kufe, der Herr. Eure Binde hats abgefetzt.«
    Müde und gereizt arbeitete der Doktor sich aus dem Bärenfell, ging hin und bückte sich. Die gespaltene Kufe war gerade so zu erkennen.
    »Mist, verdammter!«, knurrte er.
    »Ja, nu«, schniefte der Krächz.
    »Dann müssen wir neu verbinden.«
    »Was solls nützen? Nach ein paar Werst haben wir den gleichen Schlamassel.«
    »Aber wir müssen fahren. Unbedingt! Keine Frage!«, beharrte der Doktor mit bebendem Fuchsschwanz.
    Son Dickschädel aber auch!, dachte der Krächz und kratzte sich unter der Mütze die Schläfe, während sein Blick in die Ferne ging.
    »Hört, der Herr, hier ganz in der Nähe wohnt ein Müller. Zu dem müssen wir hin. Da lässt sich auch die Kufe flott wieder herrichten.«
    »Ein Müller? Wo?« Der Doktor sah nichts, sosehr er den Kopf drehte und wendete.
    »Da drüben brennt ein Licht, seht Ihr?« Der Krächz schwenkte den Handschuh in eine Richtung. Der Doktor starrte in die weiße Finsternis und konnte tatsächlich ein schwaches Lichtlein ausmachen.
    »Eigentlich brächten mich keine hundert Pferde zu dem hin. Aber was bleibt übrig. Immer noch besser, als hier im Wind rumstehn.«
    »Was ist mit ihm?«, fragte der Doktor zerstreut.
    »Schimpft wien Rohrspatz. Aber die Frau iss ne gute Seele.«
    »Dann nichts wie hin.«
    »Besser gestiefelt. Nich dass die Tiere sich ein abquäln.«

    »Auf gehts«, sagte der Doktor und lief entschlossen in Richtung des erleuchteten Fensters los. Im nächsten Moment steckte er bis zu den Knien im Schnee.
    »Die Straße iss da vorne!« Der Krächz zeigte, wo.
    Fluchend, über die Schöße seines langen Parkas stolpernd, kämpfte sich der Doktor zu der Straße vor, die kaum zu erkennen war. Der Krächz wiederum hatte Mühe, das Mobil dorthin umzulenken. Nebenhergehend, die Hand am Lenkscheit, spornte er seine Pferde an.
    Die Straße führte den überfrorenen Fluss entlang. Das Mobil kam hier nur sehr langsam vorwärts. Der Krächz lenkte, schnaufte, die Kräfte verließen ihn. Der

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