Der Schneesturm
stammelte der Müller, der sturzbetrunken war.
»Wie-was, warum ist Wasser nass …«, seufzte sie, erhob sich und trug ihren Mann mit beiden Händen zum Bett, wo sie ihn ablegte und den Vorhang hinter sich zuzog.
»Fein liegen bleiben …« Man hörte die Müllerin ihren Mann zwischen die raschelnden Kissen und Decken betten.
»Weck mich morgen früh rechtzeitig«, wies der Doktor den Fuhrmann an.
»Sobald wie dasses hell wird«, sagte der und nickte mit seinem Elsterkopf.
Sichtlich benebelt von der Wärme und von Speis und Trank, schien auch er nur noch schlafen zu wollen.
»Die könn-mich alle … alle …«, piepste es besoffen von hinter dem Vorhang.
Das reinste Grillenzirpen!, dachte der Krächz und lächelte sein Vogellächeln.
»Tais-sija … Taissilein … Lassuns in Wollust versi-i-inken …«, quiekte der Müller.
»Das machen wir. Schlaf schön.«
Taissija Markowna kam hinter dem Vorhang hervor und zurück zu ihren Gästen, setzte sich und spähte unter den Tisch.
»War da nicht …«
Ein reizendes Weib!, kam dem Doktor auf einmal der Gedanke.
So wie sie da saß und unter den Tisch schaute mit ihren glänzenden Augen, dem etwas starren Blick, weckte sie auf einmal Begehren in ihm. Nicht dass man sie hätte schön nennen können – das fiel ihm besonders jetzt auf, da er ihr Gesicht von oben sah: die Stirn etwas zu flach, das Kinn zu massig und außerdem fliehend, das Gesicht insgesamt zu grob, von ländlicher Fasson. Doch ihre Statur, die helle Haut, ihre wogenden vollen Brüste – all das erregte ihn.
»Ah! Da …« Sie streckte den Arm unter den Tisch, neigte den Kopf.
Ihr Haar war zu einem schwarzen Zopf geflochten und um den Kopf herumgelegt.
Was dieser Müller für ein süßes Weib hat!, dachte der Doktor, schämte sich jedoch gleich darauf seines Gedankens, seufzte schwer und lachte.
Die Müllerin richtete sich auf und zeigte lächelnd den kleinen Finger vor, auf dem der Fingerhut steckte.
»Da haben wir ihn!«
»Er mag es, aus meinem Fingerhut zu trinken«, sagte sie, sich wieder setzend. »Obwohl wir extra Becherchen für ihn haben.«
Tatsächlich stand eines zwischen den Tellerchen auf dem kleinen Tisch.
»Ich leg mich aufs Ohr«, sagte der Krächz in klagendem Tonfall, drehte sein Teeglas um und stand auf.
»Tu das, mein Lieber«, sagte die Müllerin, zog sich den Hut vom Finger und stellte ihn genauso umgekehrt neben das Glas. »Auf dem Ofen sind Decke und Kissen.«
»Ergebensten Dank, Taissija Markowna«, sagte der Krächz mit einer Verbeugung und kletterte auf den Ofen.
Der Doktor und die Müllerin blieben am Tisch sitzen.
»Verstand ich recht, dass Sie in Repischnaja praktizieren?«, fragte sie.
»In Repischnaja, sehr recht«, sagte der Doktor und trank noch einen Schluck Tee.
»Gewiss ein hartes Brot?«
»Kommt drauf an. Wenn die Menschen viel krank sind, ist es hart.«
»Und wann kränkeln die Leute am meisten? Wohl im Winter?«
»Im Sommer gibt es dafür Epidemien.«
»Epidemien …«, sprach die Müllerin das Wort nach und wiegte den Kopf. »Davon hatten wir auch eine vor zwei Jahren.«
»Die Ruhr?«
»Ja, die wars … Irgendwas Ungutes war ins Flusswasser geraten, davon wurden die Kinder krank, die drin gebadet hatten.«
Der Doktor nickte. Die Frau ihm gegenüber hatte etwas, das ihn erregte, so viel war klar. Er warf verstohlene Blicke auf sie. Gelassen, mit einem Lächeln im Mundwinkel saß sie vor ihm, so als wäre er ein zufällig vorbeigekommener entfernter Verwandter. Ein besonderes Interesse für den Doktor war nicht festzustellen, sie sprach mit ihm nicht anders als mit dem Krächz oder Awdotja.
»Ist es nicht ziemlich langweilig hier im Winter?«, fragte er.
»Ein bisschen schon.«
»Im Sommer ist es lustiger, nehme ich an?«
»Oh, im Sommer …« Sie winkte ab. »Da geht’s hier rund.«
»Da kommen die Leute zum Mahlen?«
»Ich kann Ihnen sagen!«
»Die nächste Mühle ist wohl weit weg?«
»In Dergatschi, das sind zwölf Werst von hier.«
»Dann gibt es also genug zu tun.«
»Ich kann nicht klagen«, bekräftigte sie.
Nun schwiegen sie. Der Doktor trank seinen Tee, die Müllerin drehte die Zipfel ihres Tuches zwischen den Fingern.
»Wollen wir Radio gucken?«, schlug sie vor.
»Warum nicht?«, sagte der Doktor lächelnd.
Es widerstrebte ihm, dieser Frau Gute Nacht zu sagen und zum Schlafen nach oben zu gehen. Die Müllerin ging zum Empfänger, nahm das gehäkelte Deckchen ab, griff zum schwarzen Bedienkästchen, kam
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