Der Schneesturm
die er hatte aufmeißeln müssen.
Was für ne Plackerei!, dachte er und gähnte fröstelnd.
Lange war er nicht so müde gewesen. Die Müdigkeit von dieser nicht enden wollenden Fahrt war so gewaltig, dass ihm die Kälte schon ganz egal war. Auch wenn es immer noch ans Schulterblatt zog – er mochte kein Glied mehr rühren. Das Frösteln und die Müdigkeit ergaben ein Behagen ganz eigener Art, wie er es aus frühester Kindheit kannte.
Bloß gut, dass der Frost nich gar so arg iss, dachte er noch und schlummerte ein.
Der Schlaf zog ihn in seine Gefilde. Im Einschlafen entsann er sich der Axt, mit der die drei Großmenschen damals in Pokrowskoje hantiert hatten. Ein gigantisch großes und schweres Gerät, ganz unähnlich gewöhnlichen Äxten, mit denen die Bauern ihr Holz spalteten; seitlich gab es im Axtkopf ein durchgehendes Loch, in dem ein eiserner Zapfen steckte. Die Bauern wunderten sich darüber: In normalen Äxten wurden die Stiele von oben verkeilt und nicht wie hier von der Seite.
Der Zapfen, der da bei den Großmenschen in der Axt steckte, war ein Riesending. Wuchtig und schwer. Der wog Hunderte, ach was, Tausende Pud, und lang war das Ding, zog sich hin vom Haus des Kaufmanns Bakschejew bis zu des Vaters Haus, das ein solides Haus gewesen, mit Wetterhahn auf dem Dach, Superantenne und allem, die geschnitzten Fensterrahmen rosarot – bevor es Kosma als kleiner Junge in Asche legte, nämlich als er und Pfundi mit chinesischen Knallfröschen zündelten, während die Eltern, Schwester Polina und Onkel Mischa zum Pflügen auf dem Acker waren. Pfundi hatte die Trommel mit den Knallfröschen auf einen leeren Drei-Recken-Bierkasten gestellt, der Kasten war aus irgendeinem Grund umgefallen und die Trommel mit den Knallfröschen kreuz und quer durch die Gegend gehüpft und gerast. So waren die Knallfrösche auf dem Kornspeicher gelandet, auf das Strohdach gelangt und ins Haus hinein, gar durch die offen stehende Luke hinauf in die Giebelkammer, wo der Vater Honigwaben auf Papier ausgelegt hatte; das Dach des Kornspeichers fing Flammen, und auch in der Giebelkammer brannte es, Pfundi bekam einen Schreck und verduftete, Kosma erschrak auch, rannte aber nicht weg, gab keinen Ton von sich, stand nur da und schaute, wie der Speicher brannte, stand und schaute, stand und schaute, stand ewig so da und sah dem Feuer zu, bald brannte das Dach, das Feuer griff auf den Heuboden über, der Heuboden geriet in Brand – er steht da und schaut, der Heuboden brennt lichterloh, die Nachbarn kommen gelaufen, und in der Dachstube wütet das Feuer, Flammen schlagen aus dem Giebelfensterchen, das Haus ist nicht mehr zu retten, die Nachbarn tragen den Hausrat ins Freie, doch an ihm, Kosma, wäre es, ins Haus zu laufen und etwas sehr Wichtiges zu retten, was damals verbrannt ist, jetzt aber noch nicht brennt, was sein Vater ihm damals nicht verzeihen konnte, der ihm das abgebrannte Haus verzieh, den Speicher und den Heuboden, nur nicht, dass dieses eine verbrannte, das verzieh er ihm nie – was auch der Grund gewesen, weshalb Kosma den heimischen Herd so früh verließ, jetzt aber könnte er dieses Ding aus dem brennenden Haus holen und retten, er müsste nur losgehen, sich losreißen von dem Fleck, an dem er steht, er greift sich also an das Bein und schiebt es mit den Händen nach vorn, erzwingt einen Schritt, ergreift das andere und stellt es um, die Beine wollen nicht gehorchen, doch er packt sie, krallt sich hinein, seine Fingernägel reißen dieHaut blutig, er setzt die Beine, versetzt ihr Fleisch, seine Hände machen seine Füße gehen, die Hände gehen mit den Füßen, er geht gebeugt, damit seine Hände die Füße zum Gehen zwingen können, geht ins Haus, wo schon große Hitze herrscht, denn oben brennt es, brennt schon lichterloh, die Nachbarn haben allen Hausrat hinausgeschafft, die Ikonen gerettet und die Truhen, beide, doch nur er weiß, wo das Wichtigste verborgen ist, das, was dem Vater am liebsten und teuersten ist. Er packt den Ring der Kellerluke und zerrt, der hölzerne Deckel hebt sich, er steigt hinab in den Keller, wo die Fässer mit dem Sauerkraut und den Salzgurken stehen, dort hängt auch der Schinken im Netz, und neben dem Schinken, gleichfalls im Netz, als Schinken getarnt, hängt die Larve des großen Schmetterlings, schinkengroß; die Flügelspanne des Falters, wenn er sich einmal entpuppen wird, beträgt mehr als zwei Meter, der Vater und der Onkel haben sie aus dem Inkubator des Gossudaren gestohlen,
Weitere Kostenlose Bücher