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Der Schneider himmlischer Hosen

Der Schneider himmlischer Hosen

Titel: Der Schneider himmlischer Hosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniele Varè
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hatten manches zu besprechen und plauderten eine Zeitlang im Arbeitszimmer, während Paul Dysart im Garten spazieren ging. Kuniang war ausgeritten, so daß er sie nicht antraf. Wenn ich mich recht erinnere, kam das Tête-à-tête mit Jeremiah dadurch zustande, daß er unverblümt erklärte, er wolle mit mir allein bleiben.
    «Der junge Mann scheint keineswegs so krank zu sein, wie man mir erzählt hat», bemerkte ich, nachdem Paul das Zimmer verlassen hatte.
    Jeremiah schüttelte mutlos den Kopf.
    «Sie irren», sagte er. «Paul ist sehr krank. Ich bin eigens hergekommen, um mit Ihnen darüber zu sprechen. Ich habe allen Grund anzunehmen, daß er todkrank ist.»
    «Nein!»
    «Ja. Das heißt natürlich nicht, daß er momentan bedroht ist. Aber er leidet an einer unheilbaren Krankheit der Milz. Die Ärzte geben ihm noch ein Jahr, keinesfalls mehr.»
    «Warum ist er dann hergekommen?»
    «Er hat wohl nicht gewußt, wie es um ihn steht, als er England verließ. Aber in San Francisco suchte er einen Spezialisten auf, einen sogenannten — und das war das Urteil.»
    «Dann hat er doch die ganze Reise vergebens unternommen!»
    «Nein, das nicht. Er arbeitet mit mir — er ist ungemein tüchtig. Ich glaube, es macht ihm Freude, etwas Vernünftiges zu leisten. Er ist ein kluger Junge, und mehrere seiner Anregungen haben sich ungemeinbewährt. Überdies steht es keineswegs fest, daß er nicht doch Gelegenheit haben wird, meinen Besitz zu übernehmen. Ich werde es wohl nicht mehr lang mitmachen.»
    «Sie sehen aus, als ob Sie trotz alledem etliche Jährchen vor sich hätten. Übrigens habe ich gehört, daß Sie noch immer das Schwimmbassin des Country-Club beehren. Sie können nicht wirklich krank sein, wenn Sie in Ihrem Alter solche Sachen machen.»
    «Ich darf es auch gar nicht. Mein Arzt hat mir erklärt, ich müsse das alles aufgeben. Aber ich bringe es nicht zuwege, das Leben eines Krüppels zu führen, solange ich mich nicht wirklich krank fühle. Mein Herz ist schwach, und ich habe Asthma. Schon einige Male hatte ich beinah den Fahrschein abgeben müssen und bin nur knapp durchgerutscht. Ich könnte bestimmt viel länger leben, wenn ich vorsichtiger wäre; aber das will ich eben nicht.»
    «Ich glaube, Sie wollen nur deshalb früher abfahren, damit Ihr Neffe Gelegenheit hat, seine Tätigkeit als Erbe auszubauen. Aber was für ein sonderbarer Fall: da gehen zwei Leute in scheinbar bester Gesundheit herum und behaupten beide, sie hätten nicht mehr lange zu leben. Sind Sie sicher, daß das Ganze nicht nur eine blödsinnige Fehldiagnose der Ärzte ist?»
    «Mag sein. Bei Paul jedenfalls hoffe ich es von Herzen. Immerhin habe ich mein Testament so abgefaßt, als ob er noch ein ganzes Leben vor sich hätte. Wenn nicht, wird er bestimmt gern ein Testament nach seinem eigenen Geschmack machen. Sollte er mich überleben, so bitte idt Sie, dem Jungen nach Möglichkeit beizustehen, solange er hierbleibt.»
    «Darauf können Sie sich verlassen.»
    «Das ist der Grund, warum ich Sie unter vier Augen sprechen wollte. Merkwürdig, wie sehr mir Paul in den wenigen Wochen, die ich ihn kenne, ans Herz gewachsen ist.»
    Ein Unterton von Rührung lag in der Stimme des alten Mannes, wie man es bei ihm ganz und gar nicht gewöhnt war.
    In Europa würde ein solches Gespräch einigermaßen unwahrscheinlich klingen. Aber in Peking war es nicht weiter verwunderlich. In China finden sich die Menschen mit der Möglichkeit eines plötzlichen Todes weit besser ab als im Westen. Lange Krankheiten sind selten. Man vergeht rasch. Ich kann mir ohne weiteres vorstellen, daß Unvergleichliche Tugend einem Bekannten, der mich ein paar Tage lang nicht gesehen hat und das Heim der Fünf Tugenden besucht, auf die Frage, ob ich daheim sei, höflich zur Antwort gibt: «Bedaure. Nichts zu machen. Der Herr ist gestorben.»
    Als Paul Dysart ins Arbeitszimmer zurückkam, erzählte er mir, daß er acht bis zehn Tage in Peking zu bleiben gedenke. Jeremiah hingegen wollte noch am selben Abend nach Tientsin zurückfahren. So schlug ich vor, Paul solle während seines Aufenthaltes in der Hauptstadt mein Gastzimmer bewohnen. Er nahm mit sichtlicher Freude an. Bei seinem Gesundheitszustand fürchtete er wohl den Trubel der großen Hotels.
    Ich bin seit je ein wenig ungenau und zerstreut. Als ich Paul Dysart aufforderte, bei uns zu wohnen, erwähnte ich Kuniang mit keinem Wort, was ich wohl hätte tun müssen. Und genausowenig erzählte ich ihr von der

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