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Der Schneider himmlischer Hosen

Der Schneider himmlischer Hosen

Titel: Der Schneider himmlischer Hosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniele Varè
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befänden sich in dem vom Amur und Sungari umflossenen Becken und seien von Banden der Tung-hudze geplündert und zerstört worden. Viele Mönche waren ums Leben gekommen und die Überlebenden nach allen Richtungen geflohen. Anscheinend hatte der Abt deswegen die Reise nach Peking unternommen. Er wollte unbedingt die Besitztümer des Ordens zurückerobern und eine neue Gefolgschaft sammeln. Aber dazu brauchte man Geld, und Geld war schwer zu beschaffen. Die Pekinger Kaufherren hatten ihn keineswegs ermutigt. Die Zeit der reichdotierten geistlichen Orden war vorbei, in China genauso gut wie anderswo.
    Eine Weile saßen wir einander gegenüber, an einem schmalen Tisch aus einem einzigen großen polierten Teakholzbalken, der auf einem Gerüst ruhte. Ich plauderte mit den beiden alten Priestern, während Paul und der Abt einander mit merklichem Interesse ansahen, für das sie jedoch keine Worte fanden. Kuniang saß weiter unten am Ende des Tisches und ließ Paul nicht aus den Augen. Sie achtete wohl kaum auf die anderen noch auf das, was gesprochen wurde.
    Anfangs sah es nicht so aus, als könnten wir uns mit dem Abt verständigen. Die beiden Priester erklärten, er spräche nicht Chinesisch, nur Mongolisch und Russisch. Aber als unsere Gastgeber und ich mit dem Austausch der Komplimente, die zu jedem Besuch in China gehören, beinahe fertig waren, warf mir der Abt einen Blick zu und formulierte bedächtig einen Satz, den ich zuerst nicht verstand, bloß weil ich ihn nicht erwartete. Er sagte:
    «Nous pourrions peut-être parler français.»
    So stellte es sich heraus, daß er recht gut Französisch verstand und auch leidlich sprach, allerdings mit einer Langsamkeit, die zur Verzweiflung bringen konnte. Kuniang nannte es nachher: «Als würde er zwischen jedem Wort eine Traube zerbeißen.»
    Diese langsame Redeweise gab allem, was der Abt sagte, besonderes Gewicht. Wir hingen an seinem Mund und warteten atemlos auf das Ende jedes Satzes. Zum Glück sprach er nicht viel. Seinen eigenen Mitteilungen und den ergänzenden Erklärungen der Lamas entnahmen wir, daß er Französisch bei Missionaren in der Mongolei gelernt und seine Kenntnisse dann in Petersburg, wo er eine Zeitlang lebte, vervollkommnet hatte. Als halb unabhängiger Mongolenfürstwurde er vom Zaren ehrenvoll aufgenommen und mit einem militärischen Kommando betraut, das allerdings mehr Ehre als Amt gewesen sein dürfte.
    Von Anfang an bestand eine gewisse gegenseitige Sympathie zwischen Paul Dysart und dem Abt. Paul schien sehr gefangen durch die erste überragende Persönlichkeit des Ostens, die ihm begegnete.
    Das Gespräch nahm eine unerwartete Wendung, als der Abt Paul fragte — wobei er die Worte fallen ließ wie Tropfen aus einem Tropfenzähler —, ob er sich freute, in China zu sein. Die Antwort lautete:
    «Jawohl. Ich habe mich immer danach gesehnt, China kennenzulernen, obwohl ich nichts von diesem Land wußte. Von Peking machte ich mir sogar ein völlig falsches Bild, und zwar nach einer Beschreibung, die aus einem Traum stammt.»
    Ich frage Paul, was er damit meine.
    «Ich hab auf das bekannte Gedicht von Coleridge angespielt», erläuterte er. «Coleridge ersann es im Schlaf. Als er erwachte, schrieb er die ersten vierundfünfzig Verse nieder und hätte noch mehr niederschreiben können, denn in seinem Traum war das Gedicht länger. Aber er wurde unterbrochen. Und als er sich wieder dazusetzte, hatte er vergessen, wie es weiterging.»
    Dem Abt zuliebe bemühten wir uns, französisch die berühmten Verse wiederzugeben:
     
    In Xanadu did Kubla Khan
    A stately pleasuredome decree,
    Where Alph, the sacred river, ran
    Through caverns measureless to man
    Down to a sunless sea.
     
    Und danach sprachen wir über Träume.
    Ich erinnerte an Condorcet, der im Traum die Lösung eines mathematischen Problems fand, das er im Wachen nicht hatte lösen können. Der Abt hörte aufmerksam zu; anscheinend verstand er uns mühelos. Er bemerkte, daß es unter Umständen möglich sei, das Denken eines Schlafenden zu beeinflussen und ihn im Traum erleben zu lassen, wonach er sich sehne.
    Ich fand es besser, nicht hinzusehen, solange der Abt sprach. Die Langsamkeit seiner Redeweise wirkte dann weniger unerträglich. Es kam mir sogar vor, er redete schneller, wenn man seinem Blick auswich, und so sah ich, als er von der Möglichkeit suggerierter Träume sprach, nicht ihn an, sondern Paul Dysart. Zu meiner Überraschung bemerkte ich, daß Pauls Gesicht in

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