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Der Schneider himmlischer Hosen

Der Schneider himmlischer Hosen

Titel: Der Schneider himmlischer Hosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniele Varè
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sogar den Sommerpalast und nahmen das Essen mit. Pauls Interesse an Kuniang verlieh auch der Umgebung Interesse, und die Spaziergänge machten ihm sichtlich Freude; nicht weniger die Besuche der Chinesenstadt, wo die Antiquitätenhändler der Liu-li-chang-Straße abgegrast wurden.
    Ich begleitete die beiden nur ein einziges Mal, als sie den Lamatempel besichtigten.
    Bekannte, die länger als ich in Peking leben, haben mir erzählt, daß der Lamatempel früher als Hauptquartier der fremdenfeindlichen Bewegung galt und daß es damals für Ausländer gefährlich, wenn nicht unmöglich war, ihn zu besuchen. Aber seit 1900 ist es anders geworden, und heute gilt der Lamatempel als eine der Sehenswürdigkeiten Pekings, obwohl er durch die Fremdenführer, die bei jedem neuen Tor, zu dem man kommt, Geld und nochmals Geld verlangen, einiges an Reiz verliert. Um nun Kuniang und Paul die Sache zu erleichtern, beschloß ich, sie an jenem Nachmittag zu begleiten, als sie das Hauptquartier der «Gelben Religion» in Peking besichtigen wollten. Ich hatte nämlich Bekannte im Lamatempel; zwei alte Priester, die ich seinerzeit regelmäßig besucht hatte. Ich kannte sie schon seit Jahren und war beinahe mit ihnen befreundet, von damals her, als ich mit nicht allzuviel Erfolg Mongolisch lernte.
    Vom Shuang Lié Ssè zum Lamatempel ist es weit, und als wir endlich hinkamen, waren wir fast ebenso müde wie unsere Rikschakulis. Wir freuten uns darauf, in einem der kleineren Pavillons ausruhen und Tee trinken zu können; so äußerte ich nach einem Rundgang durch die Tempelanlagen und . flüchtiger Besichtigung des riesigen Buddha und anderer Sehenswürdigkeiten den Wunsch, meine alten Freunde zu begrüßen. Durch ein Gewirr kleiner Höfe und Durchlässe führte man uns zu ihnen, ostwärts vom Hauptpavillon.
    Die beiden Lamas waren in Gesellschaft eines wesentlich jüngeren Mannes, den sie mit dem mongolischen Titel «Kagàn» (Fürst) anredeten oder auch mit «Chubil Khan», was etwa unserem «Abt» entspricht. Sie befanden sich im Freien, in einem Hof, wo sie etwas Haariges studierten, und zwar, wie sich bei näherer Besichtigung herausstellte, abgeschnittene Bärenpfoten. Bärenpfoten, erfuhren wir, seien eine besondere Delikatesse chinesischer und mandschurischer Bankette. Der Abt hatte sie aus dem Norden bekommen und erklärte seinen Wirten die Zubereitung.
    Wir wurden in eine große Halle geführt, die ein Refektorium hätte sein können; allerdings nehmen die Fratres und Priester des Ostens ihre Mahlzeiten nicht gemeinsam ein. Ein junger Chela brachte Tee, und wir ließen uns nieder. Paul bewunderte die dunklen, orangeroten Gewänder der Priester und die geschwungenen, federngeschmückten Kopfbedeckungen, die sie aufgesetzt hatten, weil bald in der Haupthalle des Tempels eine Feierlichkeit stattfinden sollte.
    Unser Besuch erwies sich späterhin als bedeutsam, weil wir bei diesem Anlaß die Bekanntschaft des mongolischen Abtes machten. Oftmals denke ich darüber nach, ob es nicht besser gewesen wäre, wir hätten ihn nie gesehen.
    Das Alter eines Asiaten ist immer schwer abzuschätzen, schon gar, wenn Kopf und Gesicht des Betreffenden rasiert sind. Unser neuer Bekannter konnte ebensogut fünfundzwanzig wie fünfundvierzig Jahre zählen. Er war groß gewachsen, eine hochgereckte, elegante Erscheinung, die sich nicht einmal im wattierten Mongolengewand verleugnete. Die Schlankheit der Hüften wurde noch durch einen Seidengürtel mit zwei prachtvollen jadenen Buckeln unterstrichen. In einer Ecke des Raumes lag ein Bündel Reisegepäck, das offenbar ihm gehörte: ein Sattel mit Satteltaschen, eine Pelzmütze, Reitstiefel aus Filz und ein paar Mauserpistolen.
    Nach seiner Ausrüstung zu schließen, hätte der Abt einer von jenen kriegerischen Bischöfen des Mittelalters sein können, die unter dem Ornat die Rüstung trugen und es keineswegs verschmähten, für eine gute Sache die Streitaxt zu schwingen. Seine Züge waren nicht rein asiatisch, aber die Augen hatten den für Mongolen charakteristischen Schnitt. Seine Kleider zeigten die Spuren der Reise und waren abgetragen, aber sauber. Die meisten Lamas in Nordchina und Tibet haben die schreckliche Gewohnheit, niemals ihre Kleider abzulegen. Darum riecht man sie auch auf einen Kilometer Entfernung.
    Einer der mir befreundeten Lamas erzählte, der Abt sei vor kurzem aus dem berühmten Lamakloster zu Kum Bùn gekommen, seine Heimat aber liege noch viel weiter nördlich. Seine Klöster

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