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Der Schneider himmlischer Hosen

Der Schneider himmlischer Hosen

Titel: Der Schneider himmlischer Hosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniele Varè
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attachiert war, beginnen. Der Oberst stammte aus Carnoustie. Ich brachte ihm bei, wie man Cocktails in einem Teetopf mixt, und bemalte seine Baracken in einer Art und Weise, daß der arme Mann, als. er nach dem Essen herauskam, überzeugt war, an Delirium tremens zu leiden.
    Dann nahm ich die Baracke vor, die Mike mit dem Geistlichen bewohnte. Ich bemalte sie rundherum mit chinesischen Göttern, wie sie im Lamatempel in Peking stehen (nur tragen sie dort Schamtüchlein, damit sich die ehrbaren Jungfrauen aus Boston, Mass., nicht entsetzen). Sie wissen schon, was ich meine. Die Götter sehen alle ungemein wild aus; jeder hält eine junge Dame auf dem Schoß, die eine Krone anhat und mehrere Halsbänder, sonst aber nichts. Ein aufregender Anblick. Mike verlor beinahe den Verstand, doch ich erklärte ihm, er sei selbst an allem schuld, mit seinen sittenlosen Liedern vom Musketier, der eine Pute auf dem Schoß hält. Der Geistliche übersiedelte in eine andere Baracke.
    Als ich diese lustigen Gruppenbilder das erstemal in Peking sah, dachte ich daran, sie zu einer musikalischen Komödie zu verarbeiten. Die Handlung wäre folgendermaßen: Eine junge Dame liebt einen chinesischen Gott, muß aber die Feststellung machen, daß sie sich einen Bissen ausgesucht hat, den sie nicht verdauen kann. Die Kostüme können wunderbar anzüglich sein, aber ich fürchte, daß man so etwas kaum außerhalb Chinas aufführen dürfte. Wir im Westen sind für derartiges noch nicht reif. Als Mikes Baracke fertig War, wollte man mich keine weitere Camouflage mehr besorgen lassen. Ich bot den Leuten an, die Offiziersmesse auszuschmücken, aber sie erklärten mir, sie ließen sich lieber jeden Tag von feindlichen Flugzeugen bombardieren. Von Militaristen darf man eben kein Kunstverständnis erwarten.
    Elsie und Norah widmeten sich dem Roten Kreuz in Etampes. Elsie hat einen Verehrer: einen französischen Offizier mit gebrochenem Bein. Er wurde merklich kühler, nachdem sie ihn eine Woche lang gepflegt hatte. Wahrscheinlich hat sie sich auf sein Bett gesetzt und das Bein nochmals gebrochen. Aber vielleicht läßt es sich flicken: das Bein und alles andere.
    Wissen Sie, daß ich in eine Schlacht geriet, in eine wirkliche Schlacht? Ich wollte gar nicht. Es war bloß .ein Irrtum. Ich war eben dabei, private Theateraufführungen in den Schützengräben zu organisieren. Wir wollten den aufführen, mit Gasmasken und einem Ballett, als der Feind überraschend angriff (zumindest ich war überrascht).. Und was geschah? Der liebe Onkel Donald warf eine Handgranate mitten ins feindliche Heer. Niemand sonst getraute sich, etwas zu werfen, denn unsere Leute und die Gegner bildeten ein Durcheinander, daß man nicht wußte, wer wer war. Aber ich hatte Angst, das greuliche Zeug könnte mir in der Hand explodieren/und so warf ich es weg, ohne nachzudenken. Der Zufall wollte, daß ich mehr Feinde als Freunde traf! Also siegten wir. Und nun ist der hebe Onkel Donald ein berühmter Mann und wird in Stein gehauen, eine Bombe in der einen und einen Pinsel in der anderen Hand.
    Ich arbeite jetzt an einer neuen französisch-amerikanischen Revue; zu schön, als daß man sie beschreiben könnte. Sie soll die Leute nach dem Krieg wieder weich und sentimental machen. Sie heißt: nach dem alten, alten Lied:
     
    Goldne Pantoffel auf goldenen Treppen,
    Goldne Pantoffel an müden Füßen,
    Goldne Pantoffel — wenn wir sie nur hätten,
    Sollten das Leben uns versüßen.
     
    Sagen Sie Fräulein Kuniang: wenn die Revue ein Erfolg wird — und das muß sie —, schicke ich ihr ein paar Pantöffelchen aus reinem Gold, damit sie ein Gegenstück zu ihrem schimmernden Haar hat.
    Sollten Sie nach Paris kommen, melden Sie sich bitte. Sie finden mich in der Bar des Ritz, von sechs Uhr abends bis zum Dinner. Und Norah und Elsie sind zum Tee gewöhnlich bei Rumpelmeyer.
     
    Immer Ihr
    Donald Parramoor.
     
    PS.: Die Girls in den Folies Marigny geben nicht genügend Rouge auf die Knie. Ich werde Paris beibringen müssen, wie man sich anzieht!»
     
     
     

Das «Himmlische Reich»
     
    Kuniang schrieb mir oft: richtige, lange Briefe. Ihr Stil erinnert an den meinen, was nicht verwunderlich ist, da sie so viele meiner Manuskripte getippt hat. Bald nach meiner Abreise übersiedelte sie mit den Russen nach Shan-hai-kwan. Von dort schrieb sie mir, und zu meinem nicht geringen Erstaunen enthielten ihre Briefe eine Menge geradezu politische Neuigkeiten.

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