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Der Schneider himmlischer Hosen

Der Schneider himmlischer Hosen

Titel: Der Schneider himmlischer Hosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniele Varè
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Shanghai erledigt und wollte Heimreisen, als etwas ganz Dummes geschah. Ich erkrankte. Nicht sehr schwer, aber es reichte aus, um meine Rückkehr in den Norden für weitere drei bis vier Wochen zu verzögern. Und ich selbst war schuld daran, denn bei einem chinesischen Gastmahl hatte ich unvorsichtigerweise von einem Krabbengericht gegessen. Man kann diese Krabben in jeder chinesischen Station sehen, in deren Nähe es Sümpfe gibt; sie werden lebend zum Verkauf angeboten. Ich wunderte mich seit jeher, daß diese armen Tiere, eins über dem andern auf einem Strick aufgefädelt, eine so rege Tätigkeit entfalten können. Aber ich mußte feststellen, daß sie nach ihrem Tode in meinem Inneren eine noch weit regere Tätigkeit zu entfalten vermochten.
    Als ich nach Shanghai kam, hatte mich der Hoteldirektor — ein alter Bekannter — gezwungen, das Zimmer zu nehmen, das er für das schönste im ganzen Haus hielt. Es lag zu ebener Erde und wurde seinerzeit von einem chinesischen Millionär nach dessen besonderen Wünschen eingerichtet und ausgeschmückt.
    Das Zimmer war groß, aber düster und besaß kein Fenster, aus dem man auf die Straße hätte sehen können. Zwei Glastüren führten auf eine glasbedeckte Veranda, und die wiederum ging auf einen kleinen schmutzigen Hof oder Schacht. Die Glastüren prangten im schweren und üppigen Schmuck eines leuchtenden Blumenmusters aus oxydiertem Metall, hauptsächlich Bronze. Dadurch blieb auch der Rest von Tageslicht, der aus dem Hof hätte eindringen können, ausgeschlossen. Der chinesische Millionär legte nämlich Wert darauf, in seinem Zimmer den ganzen Tag elektrisches Licht zu haben. Das Blumenmuster, das die Türen verzierte, kehrte auf einer metallenen Wandverkleidung und auf dem Kamin wieder; drehte man diesen an, so brannte darin ein elektrisches Feuer, das reglose Flammen um künstliche Holzscheite erglühen ließ.
    Diese Behausung hatte während des Sommers ihre Vorteile. Aus unerfindlichen Gründen war sie herrlich kühl; aber für einen Kranken ein bedrückender Aufenthaltsort. Die Düsternis erweckte den Eindruck, man liege in einer Krypta.
    Mein einziger Trost während der ersten zehn Tage der Krankheit waren Bücher, von teilnehmenden Bekannten geliehen, und die Briefe, die mir die Morgenpost brachte. Da diese Briefe aber selten und in großen Abständen kamen, mußte ich wieder und wieder auf die Post der letzten Monate zurückgreifen.
    Das Glanzstück der Sammlung war ein Schreiben Donald Parramoors, das man mir von Peking nachgesandt hatte. Es trug folgende Adresse:
     
    An den
    Schneider himmlischer Hosen
    Shuang Lié Ssè
    Tatarenstadt, S. W.
     
    Jemand hatte vor der Absendung noch meinen Namen hinzugefügt. Der Poststempel nannte Paris, der Brief aber begann ohne Datum oder Gruß:
    «Halloh, alter Freund! Wie geht’s den himmlischen Unaussprechlichen? Gut? Wie mich das freut!
    Sicher werden Sie wissen wollen, wie es dem lieben Onkel Donald geht. Bitte schicken Sie mir zum Lohn für meine Mitteilungen alles, was es an Neuigkeiten über das Heim der Fünf Tugenden und dessen Insassen gibt.
    Als Norah, Elsie und ich nach Europa kamen, entdeckten wir, daß ein Krieg ausgebrochen war. Wir hatten schon davon gehört, die Gerüchte aber nicht weiter beachtet, denn in China hört man ja alles Mögliche. Aber diesmal stimmte es. Auch die Amerikaner waren dabei und machten nicht weniger Lärm als alle anderen. Nun, bei : einem Krieg oder ähnlichen Scherzen ist Onkel Donald gleich dabei. Also meldete ich mich sofort. Der erste Mensch, den ich traf, war Mike. Ross, den ich nicht gesehen hatte, seit seine zweite Frau sich im guten alten Chester von ihm scheiden ließ. Als ich ihn bat, mich bei einer , der Verbündeten Armeen unterzubringen, legte er mit folgendem Song los:
     
        Adler auf der Schulter,
    Oder Musketier mit einer
    Pute auf dem Schoß?>
     
    Dann erkundigte er sich nach meinen Fähigkeiten. Ich erklärte, ich könne ihn derart herrichten, daß die eigene Mutter ihn nicht erkennen würde, trotz der langen Nase. «Ausgezeichnet!> sagte er. Und führte mich ins Hauptquartier, wo man mir auftrug, Baracken derart zu bemalen, daß sie kein Mensch mehr für Baracken hält. Mike besorgte den Verbindungsdienst zwischen Schotten und Amerikanern, die sich miteinander nicht verständigen konnten. Also schlug er vor, ich solle beim Hochländer-Regiment, dem er

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