Der Schneider
Schwerindustrie in Colón und Panama City installieren und die Abfertigungshäfen verwalten. Was glauben Sie, warum die Amis die Kommission boykottiert haben, nachdem sie ihr beigetreten waren? Was glauben Sie, warum die überhaupt in dieses blöde Land einmarschiert sind? Und es nach Strich und Faden zu Klump gehauen haben? Etwa um den ungezogenen General daran zu hindern, sein Kokain weiter an Uncle Sam zu verhökern? Daß ich nicht lache! Sie haben es getan, um die panamaische Armee zu vernichten und der panamaischen Wirtschaft den Hahn abzudrehen, damit die Japaner kein Interesse mehr haben konnten, dieses Land zu kaufen und dort einen eigenen Kanal zu bauen, den dann sie selbst ausgebeutet hätten. Woher kriegen die Japaner denn ihr Aluminium? Sie wissen es nicht, also sag ich’s Ihnen: aus Brasilien. Woher kriegen sie ihr Bauxit? Auch aus Brasilien. Und ihren Ton? Aus Venezuela.« Er zählte andere Stoffe auf, von denen Pendel noch nie gehört hatte. »Wollen Sie mir erzählen, die Japaner würden ihre wichtigsten industriellen Rohstoffe nach New York verfrachten, von dort mit dem Scheißgüterzug nach San Diego und dann per Schiff nach Japan, bloß weil ihnen der Kanal jetzt zu eng und zu langsam geworden ist? Glauben Sie etwa den Scheiß, daß die ihre riesigen Öltanker um Kap Horn herumschicken würden? Oder ihr neues Öl quer durch den Isthmus pumpen, auch wenn das eine Ewigkeit dauert? Daß die sich nicht rühren, wenn auf den Preis jedes einzelnen japanischen Kleinwagens, der in Philadelphia ankommt, fünfhundert Dollar draufgeschlagen werden, bloß weil der Scheißkanal zu klein geworden ist? Wer ist der Hauptbenutzer des Kanals?«
Pause, in der nach einem Freiwilligen gesucht wurde.
»Die Amis«, sagte jemand kühn, worauf ihm prompt der Kopf gewaschen wurde:
»Quatsch, die Amis! Nie davon gehört, daß die Scheißbilligflaggen jetzt unter dem herrlich harmlosen Namen Offenes Register firmieren dürfen? Wem gehören die Billigflaggen? Den Japanern und Chinesen. Wer baut wohl die nächste Generation kanaltauglicher Schiffe?«
»Die Japsen«, flüsterte jemand.
Ein Strahl göttlichen Sonnenlichts bahnt sich seinen Weg durch das Fenster von Pendels Zuschneidezimmer und setzt sich ihm wie eine weiße Taube auf den Kopf. Jonahs Stimme wird sonor. Die albernen Kraftausdrücke werden wie nutzlose Töne ausgeblendet. »Wer hat die modernste Technologie, die billigste, die schnellste? Von wegen die tollen Amerikaner. Die Japsen natürlich. Wer hat die besten Maschinen, die verschlagensten Unterhändler? Die erfinderischsten Köpfe, die fähigsten Arbeitskräfte und Organisatoren?« deklamiert er in Pendels Ohr. »Wer träumt Nacht und Tag davon, den berühmtesten Verkehrsweg der Welt zu beherrschen? Wessen Landvermesser und Techniker bohren in diesem Augenblick dreihundert Meter unter der Mündung des Caimito nach Öl? Glauben Sie, die hätten aufgegeben, bloß weil die Amis hier aufgekreuzt sind und alles plattgemacht haben? Glauben Sie, die würden vor Uncle Sam den Kotau machen und um Verzeihung bitten, weil sie auf die freche Idee kamen, die Herrschaft über den Welthandel zu erstreben? Die Japsen ? Glauben Sie, die zerreißen sich die Kimonos wegen des ökologischen Wahnsinns, zwei inkompatible Ozeane zusammenzuführen, die man einander niemals vorgestellt hat? Die Japsen , wenn es um ihr eigenes Überleben geht? Glauben Sie, die werden abschwirren, bloß weil man es ihnen gesagt hat? Die Japsen? Das ist keine Geopolitik, sondern der Weltbrand. Und wir sitzen hier rum und warten auf den Knall.«
Jemand fragt schüchtern an, wie denn die Chinesen in dieses Szenario passen, Bruder Jonah. Wieder ist es Olaf mit seinem ungedämpften Oxford-Englisch: »Ich meine, großer Gott, Jonah, alter Freund, ist es nicht so, hassen denn nicht die Japaner die Chinesen und umgekehrt? Warum sollten die Chinesen ruhig zusehen, wenn sich die Japaner die ganze Macht unter den Nagel reißen?«
In Pendels Erinnerung ist Jonah inzwischen die Toleranz und Freundlichkeit in Person.
»Weil die blöden Chinesen dasselbe wollen wie die Japsen, Olaf, mein lieber Freund. Sie wollen expandieren. Sie wollen Reichtum. Ansehen. Anerkennung in den Welträten. Respekt für den gelben Mann. Was wollen die Japaner von den Chinesen? fragen Sie mich. Erlauben Sie, daß ich das erkläre. Zunächst einmal wollen sie sie als ihre Nachbarn. Danach als Käufer japanischer Waren. Und schließlich als Lieferanten billiger Arbeitskräfte zur
Weitere Kostenlose Bücher