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Der Schneider

Der Schneider

Titel: Der Schneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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vertraulichen , hinter verschlossenen Türen geführten Gespräch unter vier Augen mit seiner bewährten persönlichen Assistentin machte Ernesto Delgado , treibende Kraft der Kanalkommission und engagierter Vorderer des streng geheimen Japanisch-panamaischen Abkommens , die Bemerkung , daß man dem Armutsausschuß bzw . Juan Carlos eine gewisse Geheimakte über die Zukunft des Kanals zur Kenntnisnahme zukommen lassen sollte . Auf die Frage , was denn der Armutsausschuß mit der Kanalpolitik zu tun habe , antwortete Delgado mit vielsagendem Grinsen , man dürfe in dieser Welt nicht alles nach dem äußeren Anschein beurteilen .
     
    Sie saß an ihrem Schreibtisch. Er sah es genau vor sich, als er ihre Durchwahlnummer wählte: den eleganten Flur oben im Hauptquartier mit seinen Türen, deren Belüftungsklappen die Luft in Umlauf hielten; ihr großes luftiges Büro mit der Aussicht auf den alten Bahnhof, der entweiht war von einem McDonald’s-Logo, das sie jeden Tag auf die Palme brachte; ihren hypermodernen Schreibtisch mit dem Computerbildschirm und dem flachen Telefon. Ihr kurzes Zögern, ehe sie den Hörer abnimmt.
    »Möchte nur wissen, ob du heut abend irgendwas Bestimmtes essen willst, Liebste.«
    »Warum?«
    »Dachte, ich könnte auf dem Heimweg noch über den Markt gehen.«
    »Salat.«
    »Jaja, nach dem Squash lieber was Leichtes, stimmt’s?«
    »Ja, Harry. Nach dem Squash brauche ich was Leichtes, Salat zum Beispiel. Wie immer.«
    »Viel zu tun heute? Der alte Ernie rotiert mal wieder?«
    »Was willst du?«
    »Ich wollte nur deine Stimme hören, Liebes.«
    Ihr Lachen machte ihn nervös. »Na, dann beeil dich mal, denn in zwei Minuten wird diese Stimme für eine Abordnung von Hafenmeistern aus Kyoto dolmetschen müssen, und diese Leute sprechen kein Spanisch und auch nur wenig Englisch und wollen bloß den Präsidenten von Panama kennenlernen.«
    »Ich liebe dich, Lou.«
    »Das will ich auch hoffen, Harry. Und jetzt entschuldige mich.«
    »Aus Kyoto, ja?«
    »Ja, Harry. Aus Kyoto. Bis dann.«
    KYOTO notierte er überschwenglich in Großbuchstaben. Was für eine Quelle. Was für eine Frau. Was für ein Volltreffer. Und wollen bloß den Präsidenten kennenlernen . Und das werden sie auch. Und Marco wird zur Stelle sein und sie in die heiligen Gemächer Seiner Herrlichkeit einführen. Und Ernie wird seinen Heiligenschein aufsetzen und sie begleiten. Und Mickie wird, dank seiner hochbezahlten Quellen in Tokio, Timbuktu oder wo auch immer er seine Schmiergelder investiert, davon erfahren. Und Superagent Pendel wird Wort für Wort darüber berichten.
    Pause, die Pendel nutzt, um in der Abgeschiedenheit seines Zuschneidezimmers die örtlichen Tageszeitungen zu durchforsten – neuerdings liest er sie alle; er schlägt das tägliche Hofbulletin auf, Überschrift: Heute zu Gast beim Präsidenten . Kein Wort von seriösen Hafenmeistern aus Kyoto, überhaupt keine Japaner auf der Speisekarte. Ausgezeichnet. Ein inoffizielles Treffen. Ein heimliches Geheimtreffen. Marco läßt sie durch die Hintertür ins Haus, eine Gruppe schmallippiger japanischer Banker, die sich als Hafenmeister ausgeben und angeblich kein Spanisch sprechen, tatsächlich aber doch. Das Ganze ein zweitesmal mit Zauberfarbe überpinseln und das Ergebnis mit Unendlich multiplizieren. Wer war sonst noch dabei – außer dem verschlagenen Ernie? Guillaume natürlich! Der gerissene Franzose! Und da steht er auch schon vor mir und zittert wie Espenlaub!
    »Monsieur Guillaume, Sir, ich grüße Sie, pünktlich wie immer! Marta, ein Glas von dem Schottischen für den Monsieur.«
    Guillaume stammt aus Lille. Ein umtriebiger Mann. Geologischer Gutachter, der Bodenproben für Spekulanten untersucht. Er ist gerade von einem fünfwöchigen Aufenthalt in Medellin zurück, und in dieser Zeit war die Stadt, wie er Pendel atemlos berichtet, Schauplatz von zwölf bekanntgewordenen Entführungen und einundzwanzig bekanntgewordenen Morden. Pendel macht ihm einen rehbraunen Alpaka-Einreiher mit Weste und einem zweiten Paar Hosen. Kunstvoll lenkt er das Gespräch auf die Politik der Kolumbianer.
    »Ehrlich gesagt, ich begreife einfach nicht, wie deren Präsident es überhaupt noch wagen kann, sich in der Öffentlichkeit zu zeigen«, bemerkt er kritisch. »Bei all den Skandalen und Drogengeschäften.«
    Guillaume nimmt einen großen Schluck Scotch und zwinkert ihm zu.
    »Harry, ich danke Gott jeden Tag, den ich leben darf, daß ich bloß Wissenschaftler bin. Ich fahre da

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