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Der Schneider

Der Schneider

Titel: Der Schneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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versprochen hatte. Sie hatte ihn an diesem Wochenende kaum gesehen, abgesehen von ein paar Stunden zwischendurch und einem wilden Bettgerangel, frühmorgens, bevor er wieder zur Arbeit eilte. Den Rest des Wochenendes hatte er in der Botschaft verbracht, zusammen mit Shepherd, der, in Strickweste und schwarzen Turnschuhen, ihn mit heißen Handtüchern und Kaffee versorgte. So jedenfalls hatte Fran sich das ausgemalt. Es war wenig freundlich von ihr, Shepherd in schwarze Turnschuhe zu stecken, denn sie hatte ihn noch nie welche tragen sehen. Aber Shepherd mit seinem unterwürfigen Diensteifer erinnerte sie an einen Sportlehrer in der Grundschule, und der hatte solche Schuhe getragen.
    »Dicke Ladung BUCHAN-Material«, hatte Andy geheimnisvoll erklärt. »Muß einen Bericht draus basteln. Die hätten das am liebsten schon gestern gehabt.«
    »Und wann werden die Buchanianer unterrichtet?«
    »London hat die Schotten dicht gemacht. Zu heiß zum sofortigen Verzehr hier bei uns, die Analytiker müssen das Zeug erst mal durchs Reinigungsbad schicken.«
    Und daher hatte der Fall bis vor zwei Stunden geruht, als Andy sie in ein erstaunlich teures Restaurant an der Uferstraße entführt und dort bei einer Flasche teuren Champagners den Entschluß gefaßt hatte, Gott auf die Probe zu stellen.
    »Habe vorige Woche was von einer Tante geerbt. Lächerlich wenig. Nutzt keinem was. Gott soll’s mir verdoppeln. Anders geht’s nicht.«
    Er war in äußerst leichtsinniger Stimmung. Der Blick ruhelos suchend, streitsüchtig flackernd.
    »Spielen Sie auch nach Wunsch?« schrie er dem Bandleader zu, als er mit ihr tanzte.
    »Alles, was die Dame wünscht, Señor.«
    »Dann sollten wir uns die Nacht freinehmen«, schlug Andy vor, als Fran ihn geschickt außer Hörweite bugsierte.
    »Andy, das heißt nicht, Gott versuchen, sondern uns Mörder auf den Hals wünschen«, sagte sie streng, als er das Essen mit feuchten 50-Dollar-Scheinen aus der Innentasche eines neuen Jacketts seines hiesigen Schneiders bezahlte.
     
    Im ersten Kasino saß er am großen Tisch und beobachtete nur, ohne zu spielen, während Fran schützend hinter ihm stand.
    »Was ist deine Lieblingsfarbe?« fragte er sie über die Schulter.
    »Sollte das nicht Gott entscheiden?«
    »Wir kümmern uns um die Farbe, Gott kümmert sich um das Glück. Das ist die Spielregel.«
    Er trank noch mehr Champagner, setzte aber nicht. Als sie gingen, dachte sie plötzlich: Man kennt ihn hier. Er ist schon öfter hier gewesen. Das sagten ihr die Mienen der Leute, ihr wissendes Lächeln und Beehren-Sie-uns-bald-wieder.
    »Gehört alles zum Plan«, sagte er knapp, als sie ihm Vorhaltungen machte.
    Im zweiten Kasino beging ein Wachmann den Fehler, sie filzen zu wollen. Es wäre zu einer häßlichen Szene gekommen, hätte Fran nicht ihren Diplomatenpaß gezückt. Wieder sah Andy nur zu, ohne aktiv am Spiel teilzunehmen; zwei Mädchen am Ende des Tischs versuchten seine Aufmerksamkeit zu erregen, und eine von ihnen rief ihm sogar zu: »Hallo, Andy.«
    »Gehört alles zum Plan«, wiederholte er.
    Das dritte Kasino befand sich in einem Hotel, von dem sie noch nie gehört hatte; es lag in einem verrufenen Viertel, man hatte ihr geraten, nicht dorthin zu gehen. Dritte Etage, Zimmer 303, anklopfen und warten. Ein Gorilla tastete Andy von oben bis unten ab, und diesmal protestierte er nicht. Er gab sogar Fran den Rat, den Mann ihre Handtasche durchsuchen zu lassen. Die Croupiers erstarrten, als Fran und Andy das zweite Zimmer betraten, in dem es sogleich bedenklich still wurde; Köpfe wandten sich, Gespräche wurden unterbrochen: nicht sonderlich überraschend, wenn man bedenkt, daß Andy sich Chips für fünfzigtausend Dollar in 500ern und 1000ern geben ließ, das Kleinzeug brauch ich nicht, danke, tun Sie’s dahin zurück, wo Sie’s hergeholt haben.
    Und als nächstes sah Fran ihn neben dem Croupier sitzen und stellte sich wieder hinter ihn; der Croupier war eine Frau, eine schwammige, lüsterne Hure mit dicken Lippen und tief ausgeschnittenem Kleid, die Fingernägel ihren kleinen flattrigen Hände waren wie Krallen manikürt. Schon drehte sich das Rad. Und als es zum Stillstand kam, war Andy um zehntausend Dollar reicher, denn er hatte auf Rot gesetzt. Insgesamt spielte er, soweit Fran das hinterher noch sagen konnte, acht- oder neunmal. Statt Champagner trank er nun Scotch. Schließlich hatte er seine fünfzigtausend Dollar verdoppelt und damit offenbar erreicht, was er Gott als Ziel gesetzt

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