Der Schneider
war leichenblaß und hager, gefährlich und bebrillt. Sein Gesicht war nur Haut und Knochen.
»Bleiben Sie über Nacht, oder geht’s gleich wieder nach Hause, Elliot?« knurrte Tug Kirby und machte deutlich, daß er die letztere Variante vorziehen würde.
»Wir müssen leider umgehend zurück, sobald die Party hier vorbei ist, Tug«, sagte Elliot.
»Nicht mal in der Botschaft guten Tag sagen?« fragte Tug mit einfältigem Grinsen.
Das sollte ein Scherz sein. Tug riß andauernd Witze. Die Leute vom Außenministerium waren nämlich die allerletzten, die von der Visite Elliots und des Colonels erfahren sollten.
Neben Elliot saß der Colonel und kaute seinen Lachs mit der vorgeschriebenen Zahl von Kaubewegungen.
»Wir haben dort keine Freunde , Tug«, erklärte er naiv. »Nur Schwule.«
In Westminster wurde Tug Kirby »der Minister mit Riesigem Geschäftsbereich« genannt. Dieser Titel ging teils auf seine sexuellen Abenteuer zurück, vor allem aber auf seine beispiellose Sammlung von Berater- und Vorstandsposten. Es gab, behaupteten Schlauköpfe, im ganzen Land sowie im Mittleren Osten kein einziges Rüstungsunternehmen, in dem Tug Kirby nicht irgendwie seine Finger hatte. Ein mächtiger, bedrohlich wirkender Mann, genau wie seine Gäste. Er hatte fette runde Schultern und buschige schwarze Augenbrauen, die wie angeklebt aussahen. Sein Blick wirkte dumm und niederträchtig. Und seine großen Fäuste blieben sogar beim Essen in Alarmbereitschaft.
»He, Dirk – was macht Van?« rief Hatry fröhlich über den Tisch. Ben Hatry hatte seinen legendären Charme angeschaltet, dem niemand widerstehen konnte. Und wie erfreulich sein Lächeln, nachdem man so lange in den Wolken gesteckt hatte. Der Colonel wurde sofort vergnügter. Auch Cavendish war entzückt, seinen Chef plötzlich so guter Laune zu sehen.
»Sir«, bellte der Colonel, als rede er vor einem Kriegsgericht, »General Van läßt Sie grüßen und möchte Ihnen, Ben, und Ihren Mitarbeitern seinen Dank aussprechen für die unschätzbare tatkräftige Unterstützung und Ermutigung, welche sie ihm in den vergangenen Monaten und bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt haben angedeihen lassen.«
Schultern zurück, Kinn runter. Sir .
»Nun, richten Sie ihm aus, wir alle sind ungeheuer enttäuscht, daß er sich nicht um die Präsidentschaft bewirbt«, sagte Hatry, ebenfalls vergnügt lächelnd. »Es ist eine verdammte Schande, daß der einzige gute Mann in Amerika nicht den Mumm hat, sich als Kandidat aufstellen zu lassen.«
Der Colonel ließ sich von Hatrys launigen Provokationen nicht beeindrucken. Er war das von früheren Begegnungen her gewohnt.
»General Van ist noch jung, Sir. Der General plant langfristig. Der General ist ein hervorragender Stratege.« Zwischen diesen gedämpften, besorgten Sätzen nickte er sich selbst bestätigend zu, aber seine Augen blieben groß und verletzlich. »Der General liest sehr viel. Er ist ein gründlicher Mensch. Er kann warten. Andere hätten längst ihr Pulver verschossen. Nicht der General. Nein, Sir. Wenn die Zeit gekommen ist, den Präsidenten umzustimmen, wird der General zur Stelle sein. Er ist der einzige Mann in Amerika, dem man das zutrauen kann. Meine Meinung, Sir.«
Ich gehorche, sagten die Hundeaugen des Colonels, aber sein Kinn sagte, verdammt, laß mich in Ruhe. Sein Haar war kurzgeschoren. Seine straffe Haltung machte vergessen, daß er keine Uniform trug. Man fragte sich unwillkürlich, ob er nicht ein wenig verrückt sei. Beziehungsweise sie alle nicht verrückt seien. Die Formalitäten waren erledigt. Elliot sah auf die Uhr, zog die Brauen hoch und warf Tug Kirby einen herausfordernden Blick zu. Der Colonel nahm die Serviette vom Hals, tupfte sich pedantisch den Mund damit ab und legte sie dann auf den Tisch wie ein unerwünschtes Sträußchen, das Cavendish wegräumen sollte. Kirby zündete sich eine Zigarre an.
»Könnten Sie das Scheißding bitte ausmachen, Tug?« bat Hatry höflich.
Kirby drückte die Zigarre wieder aus. Manchmal vergaß er Hatrys Eigenheiten. Cavendish fragte, ob jemand Süßstoff oder vielleicht Milchpulver für den Kaffee brauche? Endlich fand die Besprechung statt, das Festmahl war beendet. Fünf Männer saßen um einen glänzend polierten Tisch aus dem 18. Jahrhundert; sie verachteten einander von Herzen, aber es verband sie ein hehres Ideal.
»Wollt ihr nun einmarschieren oder nicht?« fragte Ben Hatry, der nichts von langwierigen Einleitungen hielt.
»Natürlich wollen
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