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Der Schneider

Der Schneider

Titel: Der Schneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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mich«, hatte Ben Hatry tags zuvor tonlos zu Cavendish gesagt.
    Manchmal sprach er, ohne die Lippen zu bewegen. Manchmal hatte er seine eigenen Machenschaften satt und die ganze menschliche Mittelmäßigkeit obendrein.
    »Sie beide werden das mit denen allein abwickeln«, setzte er boshaft hinzu.
    »Wie Sie wünschen, Chef. Schade, aber bitte sehr«, sagte Cavendish.
    Ben Hatry war, wie Cavendish vorausgesehen hatte, mit dem Taxi gekommen, weil er seinem Fahrer mißtraute, ja er war sogar zehn Minuten zu früh gekommen, um sich eine Zusammenfassung von dem Scheiß durchzulesen, den Cavendish in den letzten Monaten an Vans Leute geschickt hatte – mit Scheiß pflegte er jede Art von Prosa zu bezeichnen – und der mit einem Bericht, brandheiß, eine Seite lang, von diesen Wichsern auf der anderen Seite des Flusses endete – ohne Unterschrift, ohne Quellenangabe, ohne Überschrift –, ein echter Hammer, Chef, hatte Cavendish gesagt, der reine Wein, die Kronjuwelen, Vans Leute drehten durch, daher die heutige Zusammenkunft.
    »Welcher Schwachkopf hat das geschrieben?« fragte Hatry, der stets Wert darauf legte, jedem die gebührende Ehre zukommen zu lassen.
    »Luxmore, Chef.«
    »Der Scheißkerl, der uns im Alleingang die Falkland-Operation vermasselt hat?«
    »Genau der.«
    »Sieht mir verteufelt nach einer Rohfassung aus.«
    Trotzdem las Ben Hatry den Bericht zweimal, was er sonst niemals tat.
    »Ist das alles wahr?« fragte er Cavendish.
    »Wahr schon, Chef«, sagte Cavendish mit jener klugen Mäßigung, die für seine Urteile typisch war. » Teilweise wahr. Zur Haltbarkeitsdauer will ich lieber nichts sagen. Vans Leute hatten es wohl ziemlich eilig.«
    Hatry warf ihm den Bericht wieder hin.
    »Na, diesmal kennen sie wenigstens den Weg«, sagte er und nickte freudlos zu Tug Kirby hin, dem dritten Mörder, wie Cavendish ihn geistreicherweise getauft hatte; er war gerade ins Zimmer gestürmt, ohne sich die großen Schuhe abzuputzen, und hielt jetzt finster nach Feinden Ausschau.
    »Die Amis schon da?« brüllte er.
    »Müssen jeden Augenblick eintreffen, Tug«, versuchte Cavendish ihn zu beschwichtigen.
    »Die kommen zu spät zu ihrer eigenen Beerdigung«, sagte Kirby.
     
    Ein besonderer Vorteil von Geoffs Haus war die ideale Lage im Zentrum von Mayfair, nahe dem Nebeneingang von Claridges in einer gesperrten und bewachten Sackgasse, die von Diplomaten und Lobbyisten und anderen hohen Tieren bewohnt wurde und in der sich auch die italienische Botschaft befand. Dennoch war alles erfreulich anonym. Ob die Leute, die hier aus- und eingingen, Fensterputzer, Lieferanten, Kuriere, Butler, Bodyguards, Lustknaben oder Großmeister der Galaxis waren, interessierte niemanden. Und Geoff war jemand, der überall Zutritt hatte. Er wußte, wie man an die Entscheidungsträger herankam und wie man sie zusammenbrachte. Wenn man Geoff hatte, konnte man sich zurücklehnen und die Sache einfach laufen lassen, und genau das taten sie jetzt: drei Briten und ihre zwei amerikanischen Gäste, die sich offiziell nicht kannten, während sie sich ohne Kellner als Zeugen über eine Mahlzeit hermachten, die nach allgemeiner Übereinkunft gar nicht stattfand; es gab Lachs tiède, von Cavendishs Landsitz in Schottland eingeflogen, dazu Wachteleier, Obst und Käse und zur Krönung des Ganzen einen phantastischen Butter-Pudding, den Geoffs betagte Großmutter zubereitet hatte.
    Zum Trinken gab es Eistee und Artverwandtes, denn Alkohol zum Lunch, so meinte Geoff Cavendish, werde im heutigen fundamental-christlichen Washington als Erfindung des Teufels betrachtet.
    Man saß an einem runden Tisch, niemand sollte den Vorsitz haben. Viel Platz für die Beine. Polsterstühle. Die Telefone ausgestöpselt. Cavendish sorgte hervorragend für seine Leute. Mädchen, soviel Sie wollen. Fragen Sie Tug.
     
    »Erträglichen Flug gehabt, Elliot?« fragte Cavendish.
    »Ach, ganz wunderbar, Geoff. Ich liebe diese holpernden kleinen Jets. Northolt war klasse. Ich liebe Northolt. Und dann der Hubschrauber nach Battersea, einfach Spitze. Ein tolles Kraftwerk haben die da.«
    Bei Elliot wußte man nie, ob er bloß sarkastisch war oder ob er immer so redete. Er war einunddreißig Jahre alt, ein Südstaatler aus Alabama. Anwalt und Journalist, ein flapsiger Typ, falls er nicht gerade auf Angriff geschaltet hatte. Er hatte eine eigene Kolumne in der Washington Times , wo er sich demonstrativ mit Leuten anlegte, die bis vor kurzem bekannter gewesen waren als er selbst. Er

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