Der Schneider
Toshikazu von der Botschaft, aber ob diese Leute aus dem ersten oder zweiten Glied sind, das müßte ich erst nachsehen.«
»Oder Marta darum bitten.«
»Richtig.«
Wieder spürte Pendel Osnards verdunkelten Blick, und um ihn abzulenken, gewährte er ihm ein liebenswürdiges Lächeln, jedoch ohne Erfolg.
»Kommt Ernie Delgado schon mal zum Essen zu Ihnen?« fragte er, als Pendel noch mit weiteren Fragen über die Japaner rechnete.
»Eigentlich nicht, Andy. Nein.«
»Warum denn nicht? Schließlich ist er der Chef Ihrer Frau.«
»Offen gesagt, das wäre Louisa wohl nicht recht.«
»Warum denn nicht?«
Wieder dieses Teufelchen. Eines, das sich plötzlich meldet und uns daran erinnert, daß nichts für immer verschwindet; daß eine vorübergehende Eifersucht sich zu einem lebenslangen Roman auswachsen kann; und daß man, hat man erst einmal schlecht von einem guten Mann geredet, nur noch eins mit ihm machen kann, nämlich, noch schlechter von ihm reden.
»Ernie gehört zur harten Rechten, wie ich das nenne, Andy. Das war schon damals so, unter Wir-wissen-schon-wem, auch wenn er sich das nie hat anmerken lassen. Seinen liberalen Freunden gegenüber war er stets der dienstwillige Schleimscheißer, wenn Sie den Ausdruck gestatten, aber sie hatten sich kaum umgedreht, da war er schon wieder bei Wir-wissen-schon-wem, und dann ging’s nur noch › Ja, Sir, nein, Sir, und womit kann ich dienen, Euer Hoheit?‹«
»Allgemein bekannt ist das aber nicht, oder? Für die Mehrheit hat dieser Ernie immer noch eine weiße Weste.«
»Deshalb ist er ja so gefährlich, Andy. Fragen Sie Mickie. Ernie ist ein Eisberg. Das meiste von ihm ist unter Wasser, um es einmal so zu sagen.«
Osnard zerdrückte ein Brötchen, tat etwas Butter darauf und begann mit langsamen, nachdenklichen, kreisenden Bewegungen seines Unterkiefers zu essen. Doch seine kohlschwarzen Augen wollten mehr als ein Butterbrot.
»Der Raum oben bei Ihnen im Laden – die Sportabteilung.«
»Das gefällt Ihnen, stimmt’s, Andy?«
»Schon mal dran gedacht, das zu einem Clubzimmer für Ihre Kunden umzubauen? Wo sie sich so richtig entspannen könnten? Wäre so was für die Donnerstagabende nicht besser als das schrottreife Sofa und dieser eine Sessel im Parterre?«
»Darüber habe ich schon oft nachgedacht, Andy, muß ich gestehen, und ich bin beeindruckt, daß Sie nach nur einem Besuch auf dieselbe Idee gekommen sind. Aber ich stoße immer wieder auf dasselbe unlösbare Problem – wo soll ich dann meine Sportabteilung unterbringen?«
»Rentiert sich das Zeug denn überhaupt?«
»Doch, doch. Ziemlich.«
»Mich hat es nicht sonderlich angemacht.«
»Die Sportartikel dienen mir gewissermaßen als Köder, Andy. Verkaufe ich sie nicht, tut’s ein anderer und schnappt mir gleichzeitig die Kunden weg.«
Keine überflüssigen Bewegungen, stellte Pendel unbehaglich fest. Ich kannte mal einen Polizisten, der war genauso. Hat nie mit den Händen gefuchtelt oder sich am Kopf gekratzt oder den Hintern auf dem Stuhl bewegt. Sitzt einfach da und läßt einen nicht aus den Augen.
»Wollen Sie mir Maß für einen Anzug nehmen, Andy?« fragte er scherzhaft.
Aber Osnard brauchte nicht zu antworten, denn wieder einmal huschte Pendels Blick in eine Ecke des Saals, wo etwa ein Dutzend Neuankömmlinge, Männer und Frauen, sich geräuschvoll an einem langen Tisch niederließen.
»Und das ist, könnte man sagen, die andere Seite der Gleichung!« erklärte er, während er mit der Person am Kopfende des Tischs übertriebene Handzeichen austauschte. »Kein Geringerer als Rafi Domingo persönlich. Mickies zweiter Freund, nicht zu fassen!«
»Was für eine Gleichung?« fragte Osnard.
Pendel nahm taktvoll eine Hand vor den Mund. »Die Dame neben ihm, Andy.«
»Was ist mit ihr?«
»Das ist Mickies Frau .«
Osnard, scheinbar in sein Essen vertieft, ließ den Blick verstohlen über die Tischgesellschaft gleiten.
»Die mit den Titten?«
»Ganz recht, Andy. Manchmal fragt man sich, warum die Leute überhaupt heiraten, stimmt’s?«
»Erzählen Sie mir von Domingo«, befahl Osnard – als sei das eine Selbstverständlichkeit.
Pendel holte tief Luft. Ihm schwirrte der Kopf, er war völlig erschöpft, aber da niemand ihm eine Pause gewährte, machte er weiter.
»Fliegt sein eigenes Flugzeug«, begann er aufs Geratewohl.
Gesprächsfetzen, die er im Laden aufgeschnappt hatte.
» Wieso? «
»Führt eine Kette von Nobelhotels, die niemals Gäste haben.«
Klatsch und Tratsch aus
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