Der Schneider
allen möglichen Ländern.
»Wozu?«
Für den Rest überließ er sich seinem Redetalent.
»Die Hotels gehören einem gewissen Konsortium, mit Sitz in Madrid, Andy.«
»Ja?«
» Ja . Gerüchten zufolge gehört dieses Konsortium einigen kolumbianischen Gentlemen, die nicht unbedingt ohne Verbindung zum Kokainhandel sind. Dem Konsortium geht es glänzend, wie Sie gewiß gerne hören. Ein piekfeines neues Haus in Chitré, ein anderes wird gerade in David gebaut, zwei in Bocas del Toro, und Rafi Domingo hüpft mit seinem Flieger von einem zum andern wie eine Heuschrecke in der Bratpfanne.«
»Wozu denn?«
Konspiratives Schweigen, während der Kellner ihre Wassergläser nachfüllte. Eiswürfel klingelten wie winzige Kirchenglocken. In Pendels Ohren das Brausen der Genialität.
»Da sind wir ganz auf Vermutungen angewiesen, Andy. Rafi hat vom Hotelwesen keinen blassen Schimmer; aber das ist nicht weiter schlimm, weil die Hotels, wie gesagt, ohnehin keine Gäste aufnehmen. Sie machen keine Werbung, und wenn man versucht ein Zimmer zu buchen, wird einem höflich mitgeteilt, es sei alles belegt.«
»Kapier ich nicht.«
Rafi wäre damit einverstanden, redete Pendel sich zu. Rafi ist Benny nicht unähnlich. Er würde sagen: Harry, erzählen Sie diesem Mr. Osnard, was er hören will; Hauptsache, Sie haben keine Zeugen.
»Jedes dieser Hotels bringt täglich fünftausend Dollar auf die Bank, in bar. Wenn sie dann nach ein oder zwei Geschäftsjahren ordentliche Bilanzen vorweisen können, werden sie an den Meistbietenden verkauft, und das ist rein zufällig ein gewisser Rafi Domingo, nur daß er dann als Vertreter einer anderen Gesellschaft auftritt. Die Hotels werden sich allesamt im Topzustand befinden, was nicht weiter verwunderlich ist, denn es hat ja noch kein Mensch darin geschlafen, und es ist ja noch kein einziger Hamburger in der Küche gebraten worden. Das sind dann rechtlich einwandfreie Unternehmen, weil drei Jahre altes Geld in Panama nicht bloß sauber, sondern geradezu antik ist.«
»Und er vögelt Mickies Frau.«
»So hört man, Andy«, sagte Pendel vorsichtig, denn immerhin entsprach dies der Wahrheit.
»Von Mickie selbst?«
»Nein, so nicht, Andy. Nicht direkt. Für Mickie gilt: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß.« Wieder sein Redetalent. Warum machte er das? Was trieb ihn dazu? Andy. Ein Redner ist einer, der redet. Wer das Publikum nicht auf seiner Seite hat, hat es gegen sich. Vielleicht mußte er jetzt auch, da seine Märchen zertrümmert waren, die Märchen anderer ausschmücken. Vielleicht konnte er wieder Fuß fassen, nachdem er seine Welt neu aufgebaut hatte.
»Rafi gehört auch dazu, Andy. Rafi ist einer der Allergrößten, um genau zu sein.«
»Wie: einer der Größten?«
»In der Stillen Opposition. In Mickies Mannschaft. Die hinter den Kulissen warten, wie ich das nenne. Die die Schrift an der Wand gesehen haben. Rafi ist ein Bastard.«
»Wie bitte?«
»Eine Promenadenmischung, Andy. Wie Marta. Wie ich. In seinem Fall sind es indianische Vorfahren. Es gibt in Panama keine Rassendiskriminierung, erfreulicherweise, trotzdem hat man nicht viel für Mischlinge übrig, zumal für neue nicht, und je höher man auf der gesellschaftlichen Leiter klettert, desto weißer werden die Gesichter. Ich nenne das die Höhenkrankheit.«
Ein nagelneuer Witz, den er in sein Repertoire aufzunehmen beschloß; aber Osnard bekam ihn nicht mit. Oder falls doch, fand er ihn nicht zum Lachen. Genaugenommen hatte Pendel den Eindruck, daß Osnard jetzt lieber einer öffentlichen Hinrichtung beiwohnen würde.
»Zahlung bei Lieferung«, sagte Osnard leise. »Einzige Möglichkeit. Einverstanden?« Er hatte den Kopf zwischen die Schultern gezogen.
»Andy, das ist mein Grundsatz, seit wir den Laden eröffnet haben«, gab Pendel leidenschaftlich zurück und versuchte, sich zu erinnern, wann er selbst das letztemal jemand bei Lieferung bezahlt hatte.
Vom Alkohol benommen, in einem Traumzustand, der seine eigene Realität und die aller anderen zweifelhaft erscheinen ließ, hätte er beinahe noch hinzugefügt, dies sei auch der Grundsatz des braven Arthur Braithwaite gewesen, bremste sich aber sofort, da er sein Redetalent für diesen Abend hinreichend bemüht hatte und ein Künstler seine Kräfte einteilen muß, auch wenn er glaubt, die ganze Nacht weitermachen zu können.
»Heute schämt sich niemand mehr, etwas für Geld zu tun. Im Gegenteil, ohne das rührt keiner einen Finger.«
»Ja, da haben
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