Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schneider

Der Schneider

Titel: Der Schneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
Vom Netzwerk:
Hilfe eines verrückten Millionärs.« Ein vergeblicher Blick durch den Saal. »Andy, sehen Sie hier vielleicht einen verrückten Millionär? Wohlgemerkt, ich behaupte nicht, die seien alle zurechnungsfähig. Aber nicht so verrückt, daß sie mir helfen würden.«
    Nichts änderte sich bei Osnard. Nicht sein Blick, nicht seine Stimme, nicht die schweren Hände, die locker auf dem kostbaren weißen Tischtuch lagen.
    »Vielleicht ist mein Verein verrückt genug«, sagte er.
    Hilfesuchend um sich blickend, sah Pendel die schaurige Gestalt des Bären, des meistgehaßten Kolumnisten von Panama, der bekümmert auf einen alleinstehenden Tisch im dunkelsten Teil des Saales zuschlich. Aber er hatte immer noch nicht ja gesagt, und mit einem Ohr hörte er verzweifelt Onkel Benny zu: Mein Sohn , wenn du einem Hochstapler begegnest , halt ihn hin . Denn nichts hört ein Hochstapler so ungern , wie wenn man ihm sagt , er soll nächste Woche noch einmal wiederkommen .
    »Machen Sie mit oder nicht?«
    »Ich denke nach, Andy. Ich überlege.«
    »Was gibt’s denn noch?«
    Zum Beispiel, ob ich erwachsen bin, ob ich diese Entscheidung mit klarem Verstand treffen kann, antwortete er trotzig, aber unhörbar. Ob ich ein Zentrum und einen eigenen Willen habe, und nicht bloß aus dummen Anwandlungen und schlechten Erinnerungen und übermäßigem Redetalent zusammengesetzt bin.
    »Ich wäge meine Möglichkeiten ab, Andy. Versuche das von allen Seiten zu betrachten«, sagte er hochmütig.
     
    Osnard verwahrt sich gegen Vorwürfe, die niemand erhoben hat. Er tut dies mit leisem feuchten Murmeln, das perfekt zu seinem gedunsenen Körper paßt, nur daß Pendel Seine Worte in keinen Zusammenhang bringen kann. Es ist ein anderer Abend. Ich habe wieder an Benny gedacht. Ich muß nach Hause, ins Bett.
    »Wir setzen niemand unter Druck, Harry. Niemand, den wir gern haben.«
    »Das habe ich auch nie behauptet, Andy.«
    »Ist nicht unser Stil. Wozu sollten wir den Panamaern von Ihren Vorstrafen erzählen, wenn wir Sie so haben wollen, wie Sie sind? Höchstens noch besser?«
    »Dazu gäbe es in der Tat keinen Grund, Andy, es freut mich, daß Sie das sagen.«
    »Wozu sollten wir die Sache mit dem alten Braithwaite an die große Glocke hängen, Sie vor Ihrer Frau und den Kindern als Idioten hinstellen und das Familienglück zerstören? Wir wollen Sie , Harry. Sie haben eine Menge zu bieten. Und das wollen wir Ihnen abkaufen.«
    »Wenn Sie die Sache mit der Reisfarm für mich regeln, können Sie meinen Kopf auf einem Tablett haben, Andy«, sagt Pendel, um sich entgegenkommend zu zeigen.
    »Den wollen wir nicht, mein Lieber. Nur Ihre Seele.«
    Dem Beispiel seines Gastgebers folgend, hat Pendel das Kognakglas in beide Hände genommen und beugt sich über den von Kerzen beleuchteten Tisch. Noch immer erwägt er seine Entscheidung. Schiebt sie hinaus, obgleich der größte Teil von ihm gern ja sagen würde, wenn auch nur, um dem peinlichen Zögern ein Ende zu machen.
    »Sie haben mir noch nicht gesagt, was ich eigentlich zu tun hätte, Andy.«
    »Doch, hab ich. Horchposten.«
    »Ja, aber was soll ich denn hören, Andy? Was soll dabei herauskommen?«
    Wieder dieser Blick, nadelspitz. Das rote Funkeln weiter hinten. Der grüblerisch malmende Kiefer. Der eingesunkene fette Körper. Die schleppende, gedämpfte Stimme aus dem verzogenen Mundwinkel.
    »Nicht viel. Globales Gleichgewicht der Kräfte im einundzwanzigsten Jahrhundert. Zukunft des Welthandels. Panamas politisches Schachbrett. Heimlicher Widerstand. Leute von der anderen Seite der Brücke, wie Sie das nennen. Was passiert, wenn die Amis abziehen? Falls sie abziehen. Wer wird jubeln und wer wird jammern am Mittag des 31. Dezember 1999? Was hat es für Folgen, wenn eine der zwei wichtigsten Wasserstraßen der Welt unter den Hammer kommt und die Auktion von einem Haufen gerissener Gangster durchgezogen wird? Kinderspiel«, antwortet er, jedoch mit einem Fragezeichen am Ende, als ob das Beste noch kommen sollte.
    Pendel grinst zurück. »Na, wenn’s weiter nichts ist. Morgen mittag liegt alles fix und fertig für Sie zum Abholen bereit. Wenn’s nicht paßt, können Sie’s jederzeit zum Ändern vorbeibringen.«
    »Dazu noch einiges, das nicht auf der Speisekarte steht«, fährt Osnard noch ruhiger fort. »Beziehungsweise noch nicht.«
    »Und das wäre, Andy?«
    Er hebt die Schultern. Langsam, komplizenhaft, anbiedernd, entnervend, wie ein Polizist die Schultern hebt, wenn er falsche Gelassenheit,

Weitere Kostenlose Bücher