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Der Schneider

Der Schneider

Titel: Der Schneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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Sie recht, Andy«, sagte Pendel in der Annähme, Osnards Klage beziehe sich auf die prekäre Situation in England.
    Osnard sah sich um, ob auch niemand zuhörte. Und vielleicht ermutigte ihn der Anblick der vielen Leute, die an den Nachbartischen verschwörerisch die Köpfe zusammensteckten, denn sein Gesicht nahm jetzt einen harten Ausdruck an, bei dem es Pendel alles andere als behaglich war, und seine gedämpfte Stimme klang plötzlich schneidend.
    »Ramón hat Sie in der Zange. Wenn Sie nicht zahlen, sind Sie erledigt. Und wenn Sie zahlen, haben Sie einen Fluß ohne Wasser am Hals und eine Reisfarm, auf der nichts wächst. Ganz zu schweigen von Louisa, die Ihnen die Hölle heißmachen wird.«
    »Das macht mir Sorgen, Andy. Ich kann’s nicht leugnen. Das liegt mir schon seit Wochen im Magen.«
    »Kennen Sie eigentlich Ihren Nachbarn da oben?«
    »Der läßt sich dort nicht blicken, Andy. Der ist ein Phantom, ein bösartiges Phantom.«
    »Wissen Sie seinen Namen?«
    Pendel schüttelte den Kopf »Das ist keine Einzelperson. Eher so was wie ein Unternehmen, mit Sitz in Miami.«
    »Wissen Sie, bei welcher Bank er sein Konto hat?«
    »Nicht direkt, Andy.«
    »Bei Ihrem Freund Ramón. Die Firma gehört Rudd. Rudd besitzt zwei Drittel, den Rest besitzt ein Mister X. Wissen Sie, wer das ist?«
    »Mir schwirrt der Kopf, Andy.«
    »Wie wär’s mit Ihrem Farmverwalter? Wie heißt er noch gleich?«
    »Angel? Der liebt mich wie einen Bruder.«
    »Man hat Sie reingelegt. Wer andern eine Grube gräbt und so weiter. Denken Sie mal drüber nach.«
    »Das tue ich ja, Andy. So nachgedacht wie jetzt habe ich schon lange nicht mehr«, sagte Pendel; wieder einmal kenterte ein Teil seiner Welt und versank in den Fluten.
    »Hat jemand angeboten, Ihnen die Farm unter Preis abzukaufen?« fragte Osnard durch die Nebelwand, die irgendwie zwischen ihnen aufgezogen war.
    »Mein Nachbar. Und dann leitet er das Wasser wieder zurück und hat eine ertragreiche Farm, die fünfmal soviel wert ist wie er dafür bezahlt hat.«
    »Und Angel verwaltet sie für ihn.«
    »Ein geschlossener Kreis, Andy. Und ich mittendrin.«
    »Wie groß ist diese Nachbarfarm?«
    »Achtzig Hektar.«
    »Wozu benutzt er die?«
    »Als Viehweide. Völlig anspruchslos. Er braucht das Wasser nicht. Er nimmt es mir bloß weg.«
    Der Gefangene gibt knappe Antworten, der Beamte notiert sie: nur notiert Osnard nichts. Er prägt sich das alles mit seinen braunen Fuchsaugen ein.
    »Hat Rudd Ihnen damals den Kauf der Farm empfohlen?«
    »Er hat gesagt, der Preis sei sehr günstig. Verkauf wegen Zwangsvollstreckung. Die ideale Anlage für Louisas Geld. Und ich bin drauf reingefallen.«
    Osnard hob seinen Kognakschwenker an die Lippen, vielleicht um sie zu verdecken. Dann holte er Luft und setzte mit flacher Stimme zu einer hastigen Rede an.
    »Sie sind ein Geschenk Gottes, Harry. Ein Musterexemplar, der perfekte Horchposten. Ihre Frau sitzt an der Quelle. Sie haben phantastische Verbindungen. Einen Freund im Widerstand. Eine Angestellte, die aus dem Volk kommt. In zehn Jahren gewachsene Verhaltensmuster, natürliche Tarnung. Sie sprechen die Landessprache, wissen sich auszudrücken, besitzen ein flinkes Mundwerk. Habe noch nie so einen guten Redner gehört. Sie brauchen nur sich selbst zu spielen, und schon haben wir ganz Panama im Sack. Und niemand kann Ihnen was anhaben. Machen Sie mit oder nicht?«
    Pendel grinste schief, teils geschmeichelt, teils eingeschüchtert, vor allem aber in dem Bewußtsein, daß dies ein entscheidender Augenblick in seinem Leben war, ein Augenblick des Schreckens und der Läuterung, der sich jedoch ohne seine Mitwirkung zu ereignen schien.
    »Offen gesagt, hat mir noch nie einer was anhaben können, Andy«, gestand er, während seine Gedanken zu den Außenrändern seines bisherigen Lebens schweiften. Aber er hatte nicht ja gesagt.
    »Der Nachteil ist der, daß Sie von Beginn an bis zum Hals drinstecken werden. Ist Ihnen das unangenehm?«
    »Ich stecke jetzt schon bis zum Hals drin, richtig? Die Frage ist, wo ich weniger gern stecken würde.«
    Wieder dieser Blick, zu alt, zu fest, lauschend, erinnernd, witternd, alles auf einmal. Trotzdem, oder gerade deswegen, tat Pendel unbekümmert einen Schritt nach vorn.
    »Es übersteigt ein wenig meine Vorstellungskraft, was Sie mit einem bankrotten Horchposten anfangen wollen«, erklärte er mit dem prahlerischen Stolz des Verdammten. »Ich jedenfalls wüßte nicht, wie ich da herauskommen könnte, es sei denn mit

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