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Der Schneider

Der Schneider

Titel: Der Schneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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Smokingjacke zuschnitt. Auch nicht, welche Beinweite er bevorzugt und ob er Aufschläge haben will. Außerdem habe ich ihm keinen Vortrag darüber gehalten, welche Vorteile Hosenträger gegenüber Gürteln haben, zumal in feuchtem Klima und für Herren, deren Taillenumfang ich als beweglichen Feiertag zu bezeichnen pflege. Mit diesem Vorwand ausgestattet, wollte er gerade zum Hörer greifen, als das Telefon von selber läutete – natürlich war es Osnard, er fragte, ob sie noch irgendwo was trinken gehen sollten.
    Sie trafen sich im Executive Hotel, einem weißen Hochhaus, einen Sprung von Pendels Laden entfernt. In der modernen getäfelten Bar lief auf einem riesigen Fernsehschirm eine Basketballübertragung, die von zwei attraktiven Mädchen in kurzen Röcken verfolgt wurde. Pendel und Osnard setzten sich etwas abseits von ihnen und steckten die Köpfe zusammen, auch wenn die Rohrstühle eher dazu einluden, sich nach hinten zu lehnen anstatt nach vorne.
    »Schon zu einem Entschluß gekommen?« fragte Osnard.
    »Nicht direkt, Andy. Ich arbeite noch daran, könnte man sagen. Denke nach.«
    »London ist sehr von Ihnen angetan. Die wollen den Handel perfekt machen.«
    »Nun, das freut mich, Andy. Sie müssen mich ja sehr gelobt haben.«
    »Die wollen Sie so bald wie möglich einsetzen. Sind fasziniert von der Stillen Opposition. Wollen die Namen der Beteiligten. Ihre finanzielle Situation. Ob sie Verbindung zu Studenten haben. Ob sie ein Manifest herausgebracht haben. Ziele und Vorgehensweisen.«
    »Aha, ja, schön. Nun, also dann«, sagte Pendel, der bei seinen vielen anderen Sorgen Mickie Abraxas, den großen Freiheitskämpfer, und Rafi Domingo, seinen ungeheuerlichen Zahlmeister, beinahe vergessen hatte. »Freut mich, daß es ihnen gefallen hat«, fügte er höflich hinzu.
    »Vielleicht können Sie Marta aushorchen: über studentische Aktivitäten. Bombenbasteleien in der Uni.«
    »Aha. Schön. Ja.«
    »Die wollen das Verhältnis auf eine offizielle Basis stellen, Harry. Das will ich auch. Einen Vertrag aufsetzen, Ihnen Instruktionen geben, Geld natürlich auch, und Ihnen ein paar Tricks beibringen. Solange die Fährte noch warm ist.«
    »Es kann sich nur noch um Tage handeln, Andy. Wie gesagt. Ich überstürze nichts. Ich denke nach.«
    »Man hat das Angebot um zehn Prozent erhöht. Damit Sie sich besser konzentrieren können. Soll ich’s Ihnen noch mal verklickern?«
    Osnard verklickerte es ihm noch einmal, flüsternd und die Hand vorm Mund wie jemand, der sich mit einem Zahnstocher in den Zähnen puhlt: soundso viel als Anzahlung, soundso viel als Ausgleich für Ihre monatlichen Verpflichtungen, Sonderprämien je nach Qualität der Informationen, wobei London die Bewertung vorbehalten bleibt, soundso viel Abfindung.
    »Müßten in spätestens drei Jahren aus dem Schneider sein«, sagte er.
    »Oder früher, mit etwas Glück, Andy.«
    »Oder Verstand«, sagte Osnard.
     
    » Harry .«
    Eine Stunde später, doch Pendel fühlt sich zu entfremdet, um nach Hause gehen zu können; er sitzt wieder an der Smokingjacke im Zuschneidezimmer und hört Bach.
    » Harry .«
    Louisa spricht mit ihm, es ist ihre Stimme, nachdem sie das erstemal miteinander ins Bett gegangen sind, und zwar richtig, nicht bloß Finger- und Zungenspiele und verkrampftes Horchen, ob ihre Eltern schon aus dem Kino zurückkommen, sondern vollkommen nackt in Harrys Bett in seiner miesen Mansardenwohnung in Calidonia, wo er, nachdem er den ganzen Tag für einen syrischen Herrenausstatter namens Alto Konfektionskleidung verkauft hat, die Abende damit verbringt, Anzüge zu schneidern. Ihr erster Versuch ist nicht von Erfolg gekrönt gewesen. Beide sind schüchtern, beide sind Spätentwickler, gehemmt von allzu vielen Hausgespenstern.
    » Harry .«
    »Ja, Liebling.« Ein Wort wie Liebling kam ihnen niemals leicht von den Lippen. Weder am Anfang noch heute.
    »Wenn Mr. Braithwaite dir deine erste Chance gibt und dich bei sich aufnimmt, wenn er dich auf die Abendschule schickt und dich von deinem schrecklichen Onkel Benny wegholt, bin ich voll und ganz auf seiner Seite.«
    »Das freut mich sehr, Liebling.«
    »Du solltest ihm auf den Knien danken und später unseren Kindern von ihm erzählen, damit sie erfahren, wie ein guter Samariter einem Waisenkind das Leben retten kann.«
    »Arthur Braithwaite war der einzige gute Mensch, den ich kannte, bis ich deinen Vater kennengelernt habe, Lou«, versichert Pendel ihr inbrünstig.
    Und es war mir ernst damit , Lou

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