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Der Schneider

Der Schneider

Titel: Der Schneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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mich Jahre meines Lebens gekostet, den Frieden zwischen den beiden Seiten aufrechtzuerhalten.‹ Dabei bin ich mir ehrlich gesagt nicht so sicher, ob das alles seine eigenen Haare sind. Ich nehme an, er hat da etwas nachgeholfen.«
    »Er war wohl ziemlich redselig?«
    »Andy, es ist nur so aus ihm rausgeströmt. Kaum war er hinter dem Wandschirm verschwunden, war er nicht mehr zu bremsen. Und wenn er erst einmal von Panama als dem Spielball der ganzen Welt anfängt, geht der ganze Vormittag dabei drauf.«
    »Und was war mit den fehlenden Stunden in Tokio?«
    Pendel schüttelte den Kopf. Bedächtig. »Tut mir leid, Andy. Davor müssen wir einen Schleier ziehen«, sagte er und wandte den Blick stoisch ablehnend zum Fenster.
     
    Osnards Kuli hielt mitten im eifrigen Schreiben inne. Die Coca-Cola-Reklame gegenüber schaltete sich ein und aus.
    »Was ist denn nun los?« fragte er.
    »Er ist mein dritter Präsident, Andy«, sagte Pendel zum Fenster.
    »Und?«
    »Und deshalb tu ich’s nicht. Ich kann nicht.«
    »Scheiße, was können Sie nicht?«
    »Es mit meinem Gewissen vereinbaren. Das auszuplaudern.«
    »Sind Sie von Sinnen? Mann, das ist pures Gold wert. Das gibt eine dicke Extraprämie. Was hat der Präsident von den fehlenden Stunden in Japan erzählt, als er seine blöde Hose anprobiert hat? Raus damit!«
    Pendel mußte lange in sich gehen, ehe er seine Skrupel überwinden konnte. Aber es gelang ihm. Seine Schultern sanken herab, er wurde locker, sein Blick kehrte ins Zimmer zurück.
    »›Harry‹, sagt er zu mir, ›falls Ihre Kunden Sie jemals fragen, warum ich in Tokio so wenig auf dem Terminkalender hatte, können Sie ihnen gern erzählen, daß ich, während meine Frau in Begleitung der Kaiserin eine Seidenfabrik besichtigt hat, zum erstenmal in meinem Leben eine Japanerin flachgelegt habe‹ – ich selbst würde einen solchen Ausdruck, wie Sie sich denken können, niemals verwenden, Andy, weder im Laden noch zu Hause –, ›denn dadurch, Harry, mein Freund‹, sagt er zu mir, ›werden meine Aktien in gewissen Kreisen hier in Panama steigen und gleichzeitig andere Elemente auf die falsche Fährte gelockt, was die wahre Natur meiner Aktivitäten betrifft und die Geheimgespräche, die ich nebenher geführt habe, und zwar ausschließlich zum Besten Panamas, was auch immer manche Leute denken mögen.‹«
    »Wie hat er das denn gemeint?«
    »Es ging um gewisse gegen ihn gerichtete Drohungen, die man nicht publik gemacht hat, um die Öffentlichkeit nicht zu beunruhigen.«
    » Seine Worte, Harry, mein Lieber, bitte! Sie reden ja wie der Guardian an einem verregneten Montag.«
    Pendel blieb gelassen.
    »Es gab keine Worte , Andy. Nicht direkt. Worte hat es dazu nicht gebraucht.«
    »Erklären Sie das«, sagte Osnard, während er notierte.
    »Der Präsident wünscht für jeden seiner Anzüge eine zusätzliche Spezialtasche, die innen links eingefügt werden soll, was natürlich absolut geheim bleiben muß. Marco wird mir die Länge des Laufs noch mitteilen. ›Harry‹, sagt er, ›glauben Sie nicht, daß ich mich aufspiele, und verraten Sie keinem was davon. Was ich für dieses junge aufstrebende Land, mein geliebtes Panama, zu unternehmen bereit bin, wird Blut kosten. Mehr will ich nicht sagen.‹«
    Aus der Straße unten schallte wie zum Hohn das dämliche Gelächter von Betrunkenen zu ihnen hoch.
    »Das gibt eine fette Sonderzahlung«, sagte Osnard und klappte das Notizbuch zu. »Was gibt’s Neues von Bruder Abraxas?«
     
    Dieselbe Bühne, andere Kulissen. Osnard hatte einen wackligen Schlafzimmerstuhl aufgetrieben und sich rittlings daraufgesetzt, die Rückenlehne zwischen den gespreizten dicken Oberschenkeln.
    »Die sind schwer auszurechnen, Andy«, sagte Pendel bedeutsam. Die Hände auf dem Rücken, ging er auf und ab.
    »Von wem reden Sie?«
    »Von der Stillen Opposition.«
    »Das kann man wohl sagen.«
    »Die lassen sich nicht in die Karten blicken.«
    »Was soll das bloß? Sind doch Demokraten, oder? Warum so schüchtern? Warum gehen sie nicht raus und trommeln die Studenten zusammen? Warum nennen die sich still ?«
    »Sagen wir einfach, Noriega hat ihnen eine heilsame Lektion erteilt, und das nächstemal nehmen sie so etwas nicht widerspruchslos hin. Mickie wird sich von niemand mehr ins Gefängnis werfen lassen.«
    »Mickie ist der Anführer, richtig?«
    »Moralisch und praktisch ist Mickie der Anführer, Andy, auch wenn er selbst das niemals zugeben würde, genau wie seine stillen Anhänger oder die

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