Der Schock: Psychothriller (German Edition)
Millionen.«
»Ihr scheiß Geld ist mir so was von egal«, stieß Jan wütend hervor. »Geben Sie mir endlich die Waffe, verdammt.«
Ava Bjely musterte ihn. »Da ist er ja«, sagte sie leise. »Der Wolf unter Ihrem Schafspelz.« Sie reichte ihm den Revolver. Jans Finger umschlossen den handwarmen rauen Griff. Die Waffe kam ihm schwer vor, noch nie zuvor hatte er so etwas in der Hand gehalten. Auf dem Lauf war Smith&Wesson ins Metall geprägt. Neben der Trommel befand sich eine Art Hebel. »Ist das die Sicherung?«
»Die einzige Sicherung ist Ihr Finger.«
Jan nickte, holte noch einmal tief Luft, dann schwang er sich aus dem Cherokee und ging um den Wagen herum. Im Kofferraum lag noch der offene Verbandskasten. Er schob die Verbandsschere in seine hintere Hosentasche, fand neben dem Warndreieck noch eine alte Taschenlampe, dankte Greg im Stillen und stopfte sich die Smith&Wesson in den Hosenbund.
Es regnete jetzt stärker.
Im Vorbeigehen streifte sein Blick Ava Bjely. Sie wirkte klein auf dem Beifahrersitz.
Vom Gartentor führte ein moosbewachsener Weg bis vor die Haustür. Jan ging leise um das dunkle Haus herum. Die Fensterläden waren geschlossen und zusätzlich mit Brettern vernagelt. An die rechte Giebelwand grenzte ein Schuppen. Eine Hintertür oder einen Zugang zum Keller gab es nicht. Nirgendwo war auch nur ein Lichtschimmer zu sehen.
Zurück an der Haustür ließ er die Taschenlampe kurz aufleuchten. Das Metall des Türknaufs sah aus, als wäre es erst kürzlich angefasst worden. Ein scharfer Windstoß fuhr ihm in den Rücken. An der Türschwelle lag plattgetretenes feuchtes Laub. Vorsichtig rüttelte er am Türgriff. Verschlossen, natürlich.
Er trat ein Stück zurück. Im Giebel, oberhalb des Schuppendachs, lag ein Fenster. Im Gegensatz zu den anderen Fenstern waren hier die Läden nicht vernagelt.
Auf der Rückseite des Schuppens stand eine hüfthohe Regentonne aus Kunststoff, randvoll mit brackigem Wasser. Er stützte sich auf den Rand der Tonne und zog sich hoch. Ein heißer Schmerz schoss ihm in die Hand. Er biss die Zähne zusammen und richtete sich vorsichtig an der Schuppenwand auf. Das dünne Plastik der Tonne wirkte nicht sehr stabil. Wasser schwappte nach allen Seiten, und seine Schuhe wurden nass. Keuchend hangelte er sich auf das Dach des Schuppens. Oben angekommen, kroch er über die wellige Teerpappe zum Giebel.
Die verwitterten Läden waren von innen verriegelt. Er zog die Verbandsschere aus seiner Hosentasche, schob sie in den Spalt zwischen den Fensterläden und hebelte den Riegel auf. Die Scharniere knirschten beim Öffnen.
Hinter der Fensterscheibe war es so dunkel, dass er die Umrisse seines Gesichts im Glas sehen konnte. Er schnitt einen Teil des Fleecestoffes von der Decke ab, umwickelte damit die Rückseite der Taschenlampe und schlug die Scheibe ein. Sofort duckte er sich, zog den Revolver und hielt den Atem an.
Einen quälend langen Moment lauschte er. Nichts außer Regen und Wind.
Dann griff er durch das Loch in der Scheibe, entriegelte das Fenster und stieg ins Dachgeschoss ein.
Drinnen schirmte er die Taschenlampe mit seinen Fingern ab und drückte den Schalter. Seine Finger glühten rötlich auf, durch die Ritzen drang ein schwacher Lichtschein. Jan sah ein Einzelbett, zwei Kommoden, einen winzigen Schreibtisch, Bücher, eine Schreibtischlampe, und auf allem lag eine dicke Staubschicht. An den beiden Stirnwänden hingen Bilder, etwa ein Dutzend schlichte schwarze Rahmen mit Fotografien darin. Er nahm die Hand vom Reflektor der Taschenlampe, um besser sehen zu können. Im ersten Augenblick meinte er, Laura auf den Fotos zu erkennen. Bis er die blonden Haare sah. Die junge Frau hatte die stolze und gerade Haltung einer Balletttänzerin. Es war Ava Bjely – oder vielmehr: Ava, als sie noch Jenny Stelzer gewesen war.
Auf einer der Kommoden fing der Lichtkegel einen länglichen trüben Harzblock ein, massiv und etwas größer als ein Schuhkarton. Jan beugte sich vor und sah in die toten Augen einer getigerten Babykatze, die im Harz zu schweben schien, als wäre sie mitten im Sprung eingefroren.
Er sog scharf die Luft ein und musste an Laura denken. Ihm wurde schlecht. Er schaltete die Lampe aus, und die Katze verschwand wie ein Geist. Fahles Nachtlicht fiel durchs Fenster und ließ nicht mehr erkennen als die Umrisse der Möbel.
Leise öffnete er die Zimmertür und stahl sich in den Flur. Im Haus war es totenstill. Durch ein Dachfenster drang diffuses Licht. Eine
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