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Der Schock: Psychothriller (German Edition)

Der Schock: Psychothriller (German Edition)

Titel: Der Schock: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Raabe
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Tor öffnen. Schließlich ging es um ihr Kind.

Kapitel 12
    Berlin, 18. Oktober, 23:58 Uhr
    Nachdem Laura die Tabletten geschluckt hatte, war sie weggesackt. Die Welt um sie herum gab es nicht mehr; sie war in ihrem eigenen Kopf eingesperrt. Alles war finster. Gespenstisch leuchtende Frauenkörper traten aus der Dunkelheit, gefangen in einer zähen durchsichtigen Masse. »Flieh«, flüsterten sie. »Flieh!«
    Laura wollte antworten, aber ihre Zunge war geschwollen. Mitten in ihrem Kopf wuchsen Bäume, hoch und schwarz. Durch die knotigen Äste schimmerte der Mond, und irgendwo hinter den Stämmen glitzerte das Wasser eines Sees. Jemand hob sie empor, obwohl sie es nicht wollte. Es war ihr zuwider.
    Sie nahm einen Stein vom Boden, schlug um sich, doch es half nichts. Starke Arme hoben sie über einen Beckenrand und ließen sie hinab. Dann war es totenstill.
    Das ist kein Becken, dachte sie, das ist ein Grab. Ein senkrechtes Grab. Und sie stand mitten darin. Sie wollte schreien, aufspringen, wegrennen. Doch sie war wie gelähmt, und um sie herum ragten spiegelglatte Wände empor.
    Ihr nackter Körper schimmerte bleich im Mondlicht. Wieder hörte sie die Stimmen. »Flieh. Flieh!«
    Verzweifelt sah sie nach oben. Ein Tropfen fiel auf sie herab, landete auf ihrer Wange. Sie wischte ihn mit dem Zeigefinger ab.
    Es war eine zähe, durchsichtige Masse.
    Dann setzte der Regen ein. Er kam aus einem Duschkopf. Tausende und Abertausende Tropfen dieser zähen Masse.
    Das klebrige Zeug lief an ihrem Körper hinab, sammelte sich zu ihren Füßen und stieg immer höher. Erst die Schienbeine, dann die Knie, die Oberschenkel. An ihrer Scham wurde es kalt, dann kletterte es ihren Bauch, ihre Arme und Brüste empor.
    Sie versuchte, ihre Beine zu bewegen, und musste feststellen, dass die Masse dort unten bereits geronnen war. Sie schnappte nach Luft und spürte, wie es an ihrem Hals kalt wurde. Dann das Kinn. Dann die Unterlippe.
    Sie kniff den Mund zusammen. Schloss die Augen.
    Alles wurde dunkel, still und kalt.
    Sie wollte schreien, riss den Mund auf, und die Kälte kroch in sie hinein, füllte sie aus.
    »Lory«, hörte sie plötzlich jemand flüstern. Stimmen, dachte sie, immer höre ich Stimmen.
    »Lory, bist du das?«
    Sie wollte »ja« schreien, aber ihr Mund war voll von diesem Zeug. Der betörende Geruch von Whiskey stieg ihr in die Nase – und fauliger Atem. Dann schmeckte sie Whiskey auf ihren Lippen, Jack Daniels, unverkennbar, dachte sie, und er rann ihr die Kehle hinab. Das klebrige Zeug schmeckte tatsächlich nach Jack Daniels. Sie musste husten und spucken. Es brannte heiß in ihrem Innern, als wäre das Zeug ätzend.
    Sie hörte das sanfte Fließgeräusch von Wasser. Und das leise Klickern auf den Steinen, als säße sie am Teltowkanal unter der Brücke und würde kirschkernspucken, wie früher. Aber wie konnte sie kirschkernspucken, wenn sie tot war, nackt, eingegossen wie ein Insekt in ein durchsichtiges Etwas, das von Sekunde zu Sekunde härter wurde.

Kapitel 13
    Berlin, 19. Oktober, 9:41 Uhr
    Jan stieg aus dem Taxi. Ein frischer Wind schob graue Wolken über den Grunewald. Wenigstens regnete es nicht. Er sah die Finkenstraße hinunter. Eine Straße weiter, Am Hirschsprung, wohnte Karl Eisner – der Mann, der die Agentur seines Vaters gekauft hatte – in einer 450-qm-Altbauvilla mit englischem Rasen, blickdichter Hecke und überdachtem Pool.
    Auch in der Finkenstraße standen solche Villen. Die Nummer 71 schien allerdings etwas vernachlässigt. Die das Grundstück umlaufende Mauer war zum Teil von Efeu überwuchert. Das grazile schwarze Gittertor zeigte Spuren von Rost, und der Rasen vor der Villa hatte etliche braune Stellen.
    Er wollte gerade klingeln, da summte sein Handy.
    »Katy?«
    »Hey. Du hattest heute früh angerufen?« Sie klang genervt und lustlos.
    »Wo bist du?«
    »Auf der Rückfahrt. Ist Laura wieder aufgetaucht?«
    »Eben nicht.«
    Katy seufzte. Im Hintergrund war ein gleichmäßiges Rauschen zu hören. Autobahn. »Was willst du?«, fragte sie.
    »In der Nacht, als sie verschwunden ist, da –«
    »Sie ist nicht verschwunden, Jan. Sie ist abgehauen. Du hast die SMS doch selbst gelesen.«
    »Und wenn die SMS nicht von ihr ist?«
    Katy schwieg einen Moment. »Wie kommst du darauf?«
    »In der Nacht hat euch ein Wagen verfolgt, oder? Ein großer schwarzer Geländewagen. Laura hat ihn gefilmt. Ich glaube, sie hat den Fahrer erkannt und sich erschreckt.«
    »Das war ein Spinner. Wir haben uns alle

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