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Der Schock: Psychothriller (German Edition)

Der Schock: Psychothriller (German Edition)

Titel: Der Schock: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Raabe
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erschreckt, weil er gefahren ist wie der letzte Henker. Bis wir geblitzt worden sind. Danach hatte er offenbar keine Lust mehr auf Spielchen.«
    »Kommt dir das nicht merkwürdig vor?«
    Statt einer Antwort raschelte es im Hörer.
    »Hör mal. Mir reicht’s langsam.« Das war Gregs Stimme. »Kannst du uns einfach mal in Ruhe lassen? Das Thema ist doch jetzt erledigt.«
    »Gib Katy das Telefon wieder«, sagte Jan beherrscht.
    »Damit du uns auch noch den Rest von unseren Ferien versaust? Vergiss es.«
    »Euren Ferien?«
    »Zufällig mag ich deine Schwester. Und das beruht auf Gegenseitigkeit. Was man wohl von dir und deiner Laura nicht behaupten kann. Sonst wäre sie ja wohl kaum abgehauen.«
    »Sie ist nicht abgehauen«, zischte Jan.
    »Laura ist ihr ganzes Leben lang abgehauen. Wann kapierst du’s endlich.« Es knackte, und die Leitung war tot.
    »Arschloch«, knurrte Jan. Wütend steckte er das Handy ein, obwohl ihm eher danach war, es gegen die Mauer zu werfen. Was bildete sich dieser Mistkerl ein? Er atmete tief durch und wandte sich wieder der Villa zu. Über der versilberten Klingel war eine Kamera hinter einer dunklen Wölbung eingelassen. Neben dem Briefschlitz, aus dem ein Umschlag lugte, stand eine kleine 71, sonst nichts. Der Brief war adressiert an Frau Ava Bjely.
    Jan klingelte.
    »Hallo?«, kratzte eine Stimme aus der Gegensprechanlage.
    »Guten Morgen. Frau Bjely?«
    »Wer will das wissen?«
    »Mein Name ist Floss. Ich bin ein Freund Ihrer Tochter Laura und –«
    »Meine Tochter wohnt nicht mehr hier.«
    »Hätten Sie trotzdem kurz Zeit für mich? Es ist wichtig. Ich glaube, Ihre Tochter –«
    Ein leises Knacken unterbrach ihn.
    »Hallo?« Jan klopfte mit dem Finger gegen die Sprechanlage.
    Keine Antwort.
    Er zog den Umschlag aus dem Briefschlitz und klingelte ein zweites Mal, wartete eine Weile und klingelte erneut.
    Endlich knackte es in der Gegensprechanlage. »Verschwinden Sie endlich!«, knurrte die Stimme.
    »Ich hab hier einen Brief für Sie. Von Laura.« Jan wedelte mit dem Umschlag vor der Kamera.
    Für einen Moment herrschte Stille.
    »Schön. Stecken Sie ihn in den Briefkasten.«
    »Nein«, erwiderte Jan.
    »Wie bitte?«
    »Ich sagte: Nein!«
    Wieder Stille.
    »Sind Sie alleine?«, schnarrte es schließlich argwöhnisch aus dem Lautsprecher.
    »Ja. Warum?«
    »Na schön. Kommen Sie rauf.« Der Türöffner summte und gab den Weg frei.
    Die Villa lag etwa dreißig Meter vom Tor entfernt, ein weißer, dreigeschossiger Altbau mit grauem Ziegeldach und vier klassizistischen Säulen, die den Balkon über dem Eingang trugen. Jan fröstelte. Lauras Elternhaus war so farblos wie der graue Himmel. Selbst die grünen Stellen des Rasens und das bunte Herbstlaub an den Bäumen wirkten seltsam blass; er konnte sich kaum vorstellen, dass Laura jemals unbefangen auf diesem Rasen gespielt hatte.
    Unwillkürlich musste Jan an seine eigenen Eltern denken. Die Villa kam ihm vor wie sein Vater. Groß, stolz und kalt. Wer darin wohnte, war unweigerlich zu klein. So wie seinem Vater nie etwas gut genug war. Eine Zeitlang hatte Jan gedacht, es würde ihm nichts mehr ausmachen. Die letzten Halbjahreszahlen der Agentur hatten schließlich belegt, wozu er imstande war. Bis sein Vater verkaufte und er an die Luft gesetzt wurde. Plötzlich war alles wieder beim Alten. Er war der Kleine. Der, der den Sicherheitsgurt von Theo nicht richtig geschlossen hatte. Der, der Schuld daran hatte, dass die Familie zerbrochen war. Und jetzt hockte sein Vater in diesem Altenheim, und Jan hatte sämtliche seiner Telefonnummern gelöscht.
    Jans Schritte knirschten auf dem Schotter der Zufahrt. Eine dreistufige Treppe führte zum Eingangsbereich. Seitlich davon gab es eine sanft ansteigende Rampe, die bis vor die Haustür führte. Die massive, grau lackierte Tür schwang weit auf. Eine Frau in einem Rollstuhl fuhr über die Schwelle und fixierte Jan. Er schätzte sie auf Mitte fünfzig; sie trug ein schwarzes Kostüm, ihre grauen Haare waren streng zurückgebunden, ihr Gesicht schmal, mit stark ausgeprägten Wangenknochen. Die Ähnlichkeit mit Laura war unverkennbar.
    »Junger Mann, hat Ihnen schon einmal jemand gesagt, dass eine Erpressung denkbar ungeeignet als Gesprächseinstieg ist?«
    »Sie wollten gar kein Gespräch«, entgegnete Jan. »Das ist auch kein guter Einstieg.«
    Ava Bjely musterte ihn, dabei blieb ihr Blick kurz an seinem Feuermal hängen. »Für einen Postboten sind Sie jedenfalls nicht auf den Mund gefallen.« Sie

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