Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schock: Psychothriller (German Edition)

Der Schock: Psychothriller (German Edition)

Titel: Der Schock: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Raabe
Vom Netzwerk:
bewahrte also immer noch Geld darin auf. Sie zählte knapp 3000 Euro, stopfte das Bündel in die Hosentasche ihrer Jeans und stellte die Vase zurück ins Regal.
    Im selben Moment hörte sie die Türklinke hinter sich, laut, als hätte sie jemand ungeschickt heruntergedrückt und versehentlich wieder emporschnellen lassen.
    Sie fuhr herum, sah, wie sich die Tür öffnete und das Licht aus dem Flur über die Schultern einer Gestalt im Rollstuhl fiel.
    »Du!«, keuchte Laura.
    »Wen hast du erwartet?« Ava Bjelys Gesicht lag im Dunkeln. Ihre streng nach hinten gebundenen Haare dagegen glänzten hellgrau im Licht. »Deinen Vater etwa? Der ist nicht da.«
    Wie immer, dachte Laura.
    »Hast du geglaubt, ich würde es nicht hier hochschaffen, mit dem Rollstuhl?«
    Laura schwieg.
    »Wir haben einen Lift einbauen lassen, deinem Vater gefiel es nicht, aber am Ende hat er zugestimmt.«
    »Er konnte dir ja noch nie etwas abschlagen.«
    »Das klingt beinah, als hättest du Mitleid mit ihm.«
    Laura sagte nichts.
    »Ich habe ihn gebeten. Warum sollte er mir das abschlagen?«
    »Fragen? Wohl eher verlangen, oder?«
    »Wie auch immer. Besser als gar nichts zu sagen. So wie er. Oder du.« Ava Bjelys Blick deutete auf die geöffnete Buchattrappe auf dem Schreibtisch. »Der Revolver ist das beste Beispiel. Glaubst du, ich hätte gewollt, dass so ein Ding in meinem Haus herumliegt?« Ihre Mutter sah sie herausfordernd an. »Ich habe ihn an mich genommen. Du brauchst gar nicht weiterzusuchen.«
    Laura biss die Zähne aufeinander.
    »Hast du gedacht, du kannst einfach hier einsteigen und dich bedienen? Na ja, wen wundert’s. Du warst als Kind schon so. Nie fragen. Einfach nehmen.«
    »Wann hättest du mir denn je etwas freiwillig gegeben?«
    »Vielleicht hättest du mehr Geduld haben müssen«, entgegnete ihre Mutter eisig.
    Laura schnaubte.
    »Stattdessen bist du lieber hier eingebrochen und hast geklaut. Und er hat’s auch noch zugelassen.«
    »Was meinst du damit?«
    »Glaubst du, ich weiß nichts von der Vase?«
    Laura stockte der Atem. Unwillkürlich trat sie einen Schritt zurück und stieß mit dem Rücken ans Regal.
    »Wie oft bist du schon hier gewesen und hast Geld aus dieser Vase geholt? Zwanzig Mal? Dreißig Mal? Hast du dich nie gewundert, dass er immer wieder Geld in die Vase getan hat? Aber immer öfter war die Vase leer, oder?«
    Laura lief es kalt den Nacken hinunter. Tatsächlich. Ein paar Mal war die Vase leer gewesen.
    » Ich hab das Geld rausgenommen«, sagte ihre Mutter. »Ich hab ihm nichts davon gesagt, aber als ich verstanden hatte, was da läuft, hab ich es rausgenommen. Ich habe gedacht, dann hört das auf, wenn du nichts mehr findest. Bis ich begriffen habe, dass er es immer wieder nachgefüllt hat.«
    Laura starrte ihre Mutter ungläubig an. Ihr Vater hatte das Geld absichtlich in die Vase getan? Weil er wollte, dass sie es dort fand?
    »Irgendwann«, fuhr ihre Mutter fort, »ist mir dann klargeworden, dass der alte Narr wahrscheinlich jedes Mal, wenn ich das Geld weggenommen habe, gedacht hat, du wärst da gewesen. Da hab ich das Geld drinnen gelassen. Und ein paar Mal hab ich dich gehört, so wie heute. Dann bin ich später hoch, und dann habe ich das Geld nachgefüllt.«
    »Du? Warum?«
    Ihre Mutter schwieg einen Moment. Obwohl Laura ihr Gesicht nicht erkennen konnte, hätte sie geschworen, dass sie lächelte, dieses kalte schmallippige Lächeln, das ihr Gesicht jeder Schönheit beraubte, die einmal darin gewesen sein mochte. »Ist das so schwer zu erraten? Ich wollte nicht, dass er glaubt, dass du zu ihm kommst. Ich wollte, dass es aufhört.«
    »Da hatte er immerhin mehr Herz als du«, sagte Laura leise.
    »Herz? Dass ich nicht lache.« Ihre Mutter verzog die Lippen. »Wenn er Herz hätte, dann hätte ich all das nicht tun müssen. Weißt du, was es mich gekostet hat, jedes Mal hier raufzukriechen. Da gab es den Lift noch nicht, und ich habe immer gewartet, bis er weg war, dann bin ich raus aus dem verdammten Stuhl und hab mich bis hierher geschleppt …«
    Laura sah förmlich vor sich, wie ihre Mutter, die Beine hinter sich herziehend, verbissen die Treppe hinaufrobbte. Vermutlich hatte sie sich am Regal emporziehen müssen, sich vielleicht auf den Schreibtischstuhl gesetzt und mit spitzen Fingern nach der Vase geangelt.
    »Herz!« Ihre Mutter hieb mit der linken Hand auf die Rollstuhllehne, und ihre Armreifen klirrten. »Als wenn dein Vater Herz hätte. Schlechtes Gewissen! Das ist alles, was er

Weitere Kostenlose Bücher