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Der Schock: Psychothriller (German Edition)

Der Schock: Psychothriller (German Edition)

Titel: Der Schock: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Raabe
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hat.«
    »Und du?«, fragte Laura. »Du hast noch nicht mal das.«
    »Ich hatte die Verantwortung. Das wiegt schwerer als ein schlechtes Gewissen. Wer Verantwortung hat, kann sich ein schlechtes Gewissen nicht leisten.«
    Laura schnürte es die Kehle zu. Verantwortung. Das hier war absurd. »Nein«, sagte sie leise. »Du hast kein schlechtes Gewissen, weil …«, sie brach ab und schluckte, »… weil du mich hasst. Schon von Anfang an war das so. Ich weiß nicht, was ich dir getan habe, aber …«
    »Halt den Mund«, sagt Ava Bjely mit brüchiger Stimme.
    »… aber kein Kind kann so furchtbar sein, dass man es so behandelt.«
    »Du hast ja keine Ahnung«, sagte Ava Bjely. »Fast alles, was ich getan habe, habe ich getan, weil ich dich geliebt habe – trotz allem.«
    »Mir reicht’s«, erwiderte Laura. »Ich verschwinde.« Sie löste sich vom Regal und ging um den schwarzen Schreibtisch herum, auf ihre Mutter zu. »Lass mich durch.«
    »Nur unter einer Bedingung.«
    »Bedingung? Hast du wirklich Bedingung gesagt?«
    »Ich will auch, dass du verschwindest. Ich meine, dass du wirklich verschwindest.«
    Laura starrte ihre Mutter an. »Was meinst du damit? Wirklich verschwinden?«
    »Genau das, was ich sage. Verschwinde aus meinem Leben. Tauch hier nie wieder auf, verschwinde aus Berlin, verschwinde aus Deutschland.«
    »Warum sollte ich das tun?«
    »Ich … würde dir«, Ava Bjely zögerte und blickte zu Boden, »Geld geben.«
    »Du würdest was ?«
    »Eine Million. Auf ein Konto. Für ein neues Leben, irgendwo. Die Bedingung ist, dass wir, dein Vater und ich, dich nie wiedersehen.«
    Laura starrte ihre Mutter fassungslos an. »Das … das ist nicht wahr, oder? Das kann nicht sein. Das hast du nicht wirklich gesagt.«
    Ava Bjely starrte auf den Teppichboden und schwieg.
    »Weißt du was«, sagte Laura wütend. Tränen stiegen ihr in die Augen, und sie hasste sich dafür. »Du kannst mich mal! Behalt dein scheiß Geld. Ich geh da hin, wo es mir passt. Und ich werde ganz sicher nicht aus Berlin weggehen.«
    Ava Bjely atmete lang und schwer aus, als hätte sie nichts anderes erwartet.
    »Und jetzt mach verdammt noch mal Platz«, forderte Laura. »Ich will hier durch.«
    Ava Bjely regte sich nicht. Mit kerzengeradem Rücken thronte sie in ihrem Rollstuhl und versperrte die Tür.
    Zornig packte Laura die Armlehnen des Rollstuhls und schob, doch Ava Bjely stemmte sich gegen die Bremshebel, so dass die Räder blockierten. Laura versuchte ihre Hände von den Bremsen loszureißen, doch ihre Mutter war zäh; vom jahrzehntelangen Training im Rollstuhl hatte sie eine ungeheure Kraft in den Armen.
    Mit aller Gewalt zerrte Laura an ihrer Mutter. Ihre Unterarme zitterten vor Anstrengung, ebenso wie die ihrer Mutter. Sie roch den künstlichen Darmausgang, der Atem ihrer Mutter schlug ihr heiß ins Gesicht, sie ächzten beide, dann plötzlich löste sich die Linke ihrer Mutter von der Bremse. Der Rollstuhl gab ruckartig nach. Laura fiel nach vorne, knallte mit dem Kopf hart gegen den Türrahmen und ging zu Boden. Der Teppich fing sie auf. Vor ihren Augen tanzten Sterne, und über ihrem Ohr brannte der Schmerz lichterloh.
    Sie spürte etwas Hartes an ihrer Schulter, die Trittbretter des Rollstuhls, mit denen ihre Mutter versuchte, sie ins Zimmer zurückzuschieben, weg von der Tür.
    Ihr Körper gab nach und rollte von der Seitenlage in die Bauchlage. Sie sah jetzt den Rollstuhl im Schein des Flurlichts, die Räder hatten Furchen in den weichen Flor des Teppichbodens gegraben. Sie streckte noch den Arm aus, wollte verhindern, dass ihre Mutter die Tür schloss, doch es war zu spät. Die Tür knallte zu, und es war finster. Im Schloss knirschte ein Schlüssel, so wie früher oft der Schlüssel geknirscht hatte, wenn ihre Mutter sie in ihrem Zimmer eingesperrt hatte.
    Tränen schossen ihr in die Augen.
    In ihrem schmerzenden Kopf schoss alles kreuz und quer; ihre Mutter, die Augen des Tätowierten, die Galerie mit den schwebenden weißen Frauenleichen. Sie dachte an Jan und an die Stimme des Tätowierten: Ich kann dich nur vor ihm beschützen, wenn du mir seinen Namen sagst .
    Wie sollte sie Jan vor diesem Wahnsinnigen warnen, wenn sie hier eingesperrt war?
    Ich muss hier raus, dachte sie benommen.
    Sie wollte sich aufrichten. Erst auf alle viere. Dann auf die Knie. Doch ihre Muskeln weigerten sich. Im schwarzen Arbeitszimmer ihres Vaters tanzten Sterne, dicht an dicht. Ihre Lider flatterten. In ihrer Ohrmuschel kratzte der Flor

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