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Der Schockwellenreiter

Der Schockwellenreiter

Titel: Der Schockwellenreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Brunner
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dreitausend Meter Höhe befand und noch immer vollkommen ruhig und gefaßt war, fragte man ihn: >Na, sind Sie jetzt nicht platt?< Darauf entgegnete der Scheich: >Sie meinen, dies Ding ist eigentlich gar nicht zum Fliegen?< Ja, ich kenne die Geschichte. Ich weiß sie aus Ihrem Dossier.« Es folgte ein kurzes Schweigen voller beherrschter Anspannung.
    »Was hat Sie«, fragte dann schließlich Freeman, »zu der Überzeugung verleitet, Sie befänden sich in der Hölle?«
    Nach dem Fußgängergeschlecht das Wettrüstungsgeschlecht; nach dem Wettrüstungsgeschlecht…
    Angus Porters Epigramm war mehr als bloß ein zungenfertiger Seitenhieb, den man auf Partys zu Tode zitieren konnte. Doch nur wenige Leute erkannten, wie buchstäblich sich das Bonmot bewahrheitet hatte.
    Tarnover, Crediton Hill und ein unterirdisches Loch in den Rocky Mountains, von dem er nie mehr herausgebracht hatte als die Tarnbezeichnung >Elektro-Eichkater<, sowie andere Örtlichkeiten überall zwischen Oregon und Louisiana waren geheime Forschungs-Zentren mit einer besonderen Aufgabe. Sie waren zur maximalen Verwertung des menschlichen Geistes bestimmt. Ihre Ursprünge konnte man bis zu den primitiven >Denkfabriken< in der Mitte des 20. Jahrhunderts zurückverfolgen, aber nur in dem Sinn, daß eine geschlossene Computer-Anlage von Holleriths Lochkarten-Analysator abstammte. Alle Großmächte sowie viele Nationen zweiter und dritter Größenordnung besaßen gleichartige Zentren. Das Wettrennen der Gehirne auf dem Wege zum Denkergeschlecht war bereits seit Jahrzehnten in vollem Gang, und manche Länder hatten es mit einem Kopfsprung begonnen. (Ein beliebtes und durchaus verzeihliches Wortspiel.) In Rußland hatte zum Beispiel immer großes öffentliches Interesse die Mathematik-Olympiade begleitet, und es galt als ausgesprochene Ehre, in Akademiegorodok studieren zu dürfen. In China hatte der reine Druck der Bevölkerungsmasse eine Fortentwicklung von der ad hoc ausgeübten Improvisation auf der Grundlage marxistisch-maoistischer Leitlinien zur zielstrebigen Erarbeitung optimaler Verwaltungstechniken durchgesetzt, wozu man eine Form der Querschnittswirkungs-Matrix-Analyse anwendete, für die sich die chinesische Sprache besonders gut eignete. Noch vor der Jahrhundertwende war ein Verfahren entwickelt worden, das sich als äußerst erfolgreich bewährte. Jede Gemeinde und jedes noch so kleine Dorf erhielt einen Satz von Karten mit Ideogrammen von bevorstehenden Anderungen, sowohl sozialer wie auch wissenschaftlich-technischer Natur. Indem man die Karten mischte und die Symbole zu neuen Kombinationen vereinte, erzeugte man sozusagen automatisch neue Ideen, und die Leute diskutierten sie in einer Reihe öffentlicher Zusammenkünfte und erwogen die Implikationen, ehe sie jemanden aus ihrer Mitte wählten, damit er ihre Absichten zusammenfasse und nach Peking weitergebe. Diese Arbeitsweise war billig und wirksam. Aber sie war in keiner westlichen Sprache außer Esperanto möglich.
    Die USA stiegen in größerem Maßstab erst sehr spät in den Wettlauf ein. Erst als die Nation unter der Wucht des Großen Bay-Bebens ins Wanken geriet, begann man die harte Lektion zu lernen, daß die Wirtschaft nicht einmal Katastrophen von diesem Umfang verkraften konnte - gar nicht zu reden also von einem Atomschlag, der viele Millionen austilgen mußte. Selbst unter diesen Umständen dauerte es Jahre, bis man vom Heulen zum Handeln überging, um in Nordamerika wieder Maßgebliches zu leisten. In mancherlei Hinsicht blieben die angebahnten Neuerungen unzulänglich. Im Zentrum >Elektro-Eichkater< befaßte man sich noch immer hauptsächlich mit Waffen. doch wenigstens lag das Schwergewicht nun auf der Verteidigung im wörtlichen Sinne, nicht auf >Vorwärtsverteidigung< oder >Präventiv-Strategie<. (Die Tarnbezeichnung war natürlich in bester militärischer Tradition ausgewählt worden.) Neuzeitlichere Konzeptionen jedoch fanden ihre Verkörperung im Zentrum Crediton Hill. Dort werteten hochqualifizierte Analysatoren ständig die heimischen Delphi-Pools aus, um einen hohen Sozialfriedens-Index zu bewahren. Seit 1990 hatten Agitatoren dreimal fast eine blutige Revolution ausgelöst, aber jedesmal waren sie abgeschmettert worden. Indem man die Wetten beobachtete, konnte man ermitteln, wonach die Öffentlichkeit gegenwärtig verlangte, und anhand dieser Erkenntnisse ließen sich Schritte einleiten, um an Zugeständnisse zu machen, was man ihr gönnen durfte, und sorgfältig

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