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Der Schockwellenreiter

Der Schockwellenreiter

Titel: Der Schockwellenreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Brunner
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geriet, seine Entscheidungen erklären oder rechtfertigen zu müssen. Sie hatten ganz einfach die Eigenschaft, sich unfehlbar zu bewähren. Er mochte speziell dazu ausgebildet worden sein, um eine derartige Urteilskraft zu entfalten; er mochte speziell dafür gezüchtet worden sein und sie daher besitzen. Aber eines war klar: er hatte nicht lange genug gelebt, um natürlich in den Zustand der Weisheit hineinzuwachsen. Nicht wenn er unter den gleichen Voraussetzungen wie die Mehrzahl der Menschen angefangen hatte.
    Und in Brasilien waren keine neuen religiösen Konflikte aufgetreten, seit Lourenco Pereira die Macht ergriff - wer er auch sein mochte -, und das stand in erfreulichem Kontrast zur Periode um die Jahrhundertwende, als in den Straßen von Säo Paulo Katholiken und Macumbaner bürgerkriegsähnliche Kämpfe austrugen. Auf den Philippinen hatten die vom ersten dortigen weiblichen Präsidenten, Sara Castaldo, eingeführten Reformen die früher so furchtbare Mordrate um die Hälfte reduziert, und als in Ghana Premier Akim Gomba erklärte, man werde nun den Stall ausfegen, begann man den Stall auszufegen und freute sich und feierte das Ereignis und in Südkorea hatte es seit dem coup von Inn Lim Pak einen merklichen Rückgang der Billigkauf- und Bums-Charterflüge gegeben, die vorher drei- bis viermal täglich von Sydney, Melbourne und Honolulu aus stattfanden, und. und man konnte ganz allgemein sagen, daß sich an den unwahrscheinlichsten Orten so etwas wie Weisheit zu entwickeln begann.
    »Also beeindruckt es Sie, was in anderen Ländern geschieht. Warum möchten Sie nicht, daß auch Ihre Heimat etwas davon mitbekommt, wenigstens… nennen wir's mal so: eine Spritze voll Weisheit in den Arm?«
    »Meine Heimat? Sicher, ich bin hier geboren, aber. Na, was soll's, ich glaube, das ist heutzutage ein überholtes Thema. Es geht jedenfalls darum, daß das nichts mit Weisheit zu tun hat, was man hier dafür anpreist.«
    »Ich habe das Gefühl, daraus dürfte sich eine lange Diskussion ergeben. Vielleicht sollten wir morgen weitermachen.«
    »An welchem Modus werden Sie mich wieder einschalten?«
    »Der gleichen wie heute. Wir nähern uns allmählich dem Punkt Ihrer endgültigen Reizüberflutung. Ich möchte Ihre bewußten und unbewußten Erinnerungen an die Ereignisse, die zur Klimax führten, miteinander vergleichen.«
    »Versuchen Sie mir keinen Scheiß zu erzählen. In Wirklichkeit langweilt es Sie, sich mit einem Roboter zu verständigen. In vollem Wachzustand bin ich viel interessanter.«
    »Ganz im Gegenteil. Ihre Vergangenheit ist viel aufregender als sowohl Ihre Gegenwart wie auch Ihre Zukunft. Beide sind völlig programmiert. Gute Nacht. Es hat auch keinen Sinn, Ihnen zu wünschen, >schlafen Sie gut<. Das ist ebenfalls programmiert.«

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    Der scheue, ruhige, zurückhaltende Junge, der ins Tarnover kam, hatte soviel von seiner Kindheit damit herumgebracht, von einem Paar >Eltern< zum anderen verschoben zu werden, daß er eine nahezu chamäleonartige Anpassungsfähigkeit besaß. Fast alle seine >Mütter< und >Väter< hatte er gemocht -kein Wunder infolge der computerisierten Sorgfalt, mit der man die Auswahl von Mietkindern und Zeiteltern aufeinander abstimmte -, und er war einer enormen Vielfalt kurzfristiger Interessen nachgegangen. Wenn sein zeitweiliger >Vater< sportlich war, beschäftigte er sich stundenlang mit Baseball oder Football; war seine >Mutter< musikalisch, sang er zu ihrer Begleitung oder dudelte selber, so gut es ging, die Tonleiter hinauf und runter. und so weiter. Aber er hatte sich nie eingehend mit irgend etwas befaßt, so daß er damit verwachsen wäre. Damit hätte er sich gefährdet; dergleichen wäre so gefährlich gewesen wie der Fehler, jemanden zu lieben. Womöglich hätte er in seinem nächsten Zuhause damit nicht weitermachen können.
    Am Anfang war er daher seiner selbst unsicher: ohne Selbstvertrauen im Umgang mit den anderen Aspiranten, unter denen er zu den Jüngsten gehörte - die Mehrheit bestand aus Mitt-Teenagern -, und übertrieben förmlich gegenüber Angehörigen des Personals. Er hegte ein verschwommenes Image von Regierungsinstitutionen, das auf 3dF- und Filmdarstellungen von Kadettenschulen und Kasernen beruhte. Aber im Tarnover war es nicht im entferntesten militärisch. Natürlich hatte man Regeln, und unter den Aspiranten waren bereits einige dauerhafte Traditionen entstanden, obwohl das Zentrum kaum ein Jahrzehnt

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