Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schockwellenreiter

Der Schockwellenreiter

Titel: Der Schockwellenreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Brunner
Vom Netzwerk:
Bildschirm widmete er einen buchstäblich ununterbrochenen Redestrom von Unflätigkeiten und Flüchen. Und wartete schließlich, während er zitterte, auf die gelassene anonyme Stimme, die zu sagen pflegte: »Nur ich habe das gehört. Ich hoffe, es hat geholfen.« Und paradoxerweise: Ja, es half!
    »Wie gefiel es Ihnen in der Schule, Haflinger?«
    »War das tatsächlich mein Name.? Na, sparen Sie sich die Mühe, mir zu antworten, es war bloß eine rhetorische Frage. Er hat mir nie gepaßt. Für mich besaß er immer so einen Klang wie >Halbinger<, als sei's mir bestimmt, nie ein fertiger Mensch zu werden. Und für Nick hatte ich auch noch nie viel übrig.«
    »Wissen Sie, warum?«
    »Klar. Allem zum Trotze, was in meinem Datenpaket das Gegenteil aussagen mag, verfüge ich über hervorragende Erinnerungen an meine Jugend. Ja, und sogar auch an meine Kindheit. Mir ist schon früh zu Ohren gekommen, daß man in Schottland den Teufel den >Alten Nick< nennt. Und dann diese Schlafmützigkeit, die in >Nickerchen< mitschwingt. Vor allem aber liegt es wohl am Sankt Nikolaus. Ich habe nie herausgefunden, wieso die gleiche Einbildungskraft zwei so gegensätzlichen Gestalten wie dem Weihnachtsmann und Sankt Nikolaus, dem Schutzheiligen der Diebe, zum Aufstieg verhelfen konnte.«
    »Vielleicht aufgrund des Prinzips, mit der einen Hand zu geben und mit der anderen zu nehmen. Wußten Sie, daß in Holland Sinter Klaas Kindern Geschenke in Begleitung eines Schwarzen gebracht hat, der jene Kinder mit Ruten verdrosch, die sich nicht gut genug benommen hatten, um ein Geschenk zu verdienen?«
    »Das ist mir neu, und überdies finde ich es sehr interessant, Mr. - Mr. Freeman, stimmt's?«
    »Sie wollten mir aus Ihren Erinnerungen an die Schule erzählen.«
    »Ich hätte es besser wissen und nicht mit einem brüderlichen Schwätzchen versuchen sollen. Tja, die Schule. So ziemlich das gleiche. die Lehrer wechselten noch schneller als meine Zeiteltern, und anscheinend brachte jeder Zugang eine neue Bildungstheorie mit, so daß wir nie viel lernten. Aber natürlich war es in der Schule in vielerlei Beziehung wesentlich schlimmer als… äh… daheim .«
    Die hohen Mauern. Die bewachten Tore. Klassenzimmer, an deren Wänden reihenweise zertrümmerte Unterrichtsapparaturen standen, für die Techniker bereitgestellt, die nach allem Anschein nie zu kommen beliebten, jeder Apparat binnen weniger Tage unweigerlich demoliert und am Ende irreparabel im Eimer. Öde Korridore, worin so oft Sand die Schuhsohlen mit grießigem Kuß begrüßte, eine Stelle kennzeichnete, wo man Blut vergossen hatte. Nur einmal stammte dies Blut am Fußboden von ihm; er war gewitzt, sogar in einem Maße, daß man ihn für absonderlich hielt, weil er etwas zu lernen versuchte, wogegen doch jeder andere wußte, es war das einzig richtige, die Schule abzusitzen, bis man das achtzehnte Lebensjahr vollendete und die Volljährigkeit erlangte. Außer in einem Fall schaffte er es, allen Messerstechereien, Prügeleien und Schießereien aus dem Wege zu gehen, und bei der einen Ausnahme zog er sich nur eine oberflächliche Verletzung zu, die keine Narbe hinterließ. Für eines jedoch war er nicht schlau genug: zum Abhauen. Das Bildungsministerium hatte autoritär festgelegt, daß es auch im Leben eines Mietkindes ein schwerpunktmäßiges Element der Beständigkeit geben mußte; deshalb hatte er stets dieselbe Schule zu besuchen, unabhängig davon, wo er zur Zeit wohnte, und keine seiner Zeiteltern blieben lange genug in der Gegend, um jemals irgend etwas gegen diese Vorschrift zu unternehmen und die Auseinandersetzung bis zum bitteren Ende durchzustehen.
    Als er zwölf war, kam an die Schule eine Lehrerin namens Adele Brixham, die das gleiche versuchte wie er, nämlich trotz allem weiterzumachen. Sie mußte, ehe man sie überfiel, massenhaft vergewaltigte und ihr dadurch einen Reizüberflutungsschock beibrachte, irgendeine Art von Meldung eingereicht haben; sie war auf ihn aufmerksam geworden. Auf jeden Fall fand sich ungefähr eine Woche später an der Schule eine ganze Horde von Regierungsbeamten ein, Männer und Frauen in Uniformen und mit Schießeisen, Fußketten und einer regelrechten Wagenladung von Geräten und Kabeln, und diese Truppe besetzte das Klassenzimmer und den Korridor davor; und zur Abwechslung konnte man nun einmal die vollständige Anwesenheit feststellen, abgesehen von einem Mädchen, das derzeitig im Krankenhaus lag. Die Beamten führten Tests durch, welche man

Weitere Kostenlose Bücher