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Der Schockwellenreiter

Der Schockwellenreiter

Titel: Der Schockwellenreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Brunner
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die sich mit einer einzigen Beruhigungstablette innerhalb von Minuten überwinden ließ, sie konnten doch wohl keine Reizüberladungen sein! Doch nun hatte er im eigenen Körper eine solche Heftigkeit verspürt, daß er sich darüber im klaren war, sein Verhalten mußte rein äußerlich dem eines Mitglieds seiner Gemeinde in Toledo geglichen haben, und dem seines früheren Chefs der Konsultations-Firma, dem von zweien seiner Kollegen am 3dF-College, und. anderen. Zahllosen anderen. Verstrickt in einer Kampf-oder-Flucht-Reaktion, während es keine Möglichkeit gab, eine der beiden Lösungen in die Tat umzusetzen. Er seufzte, schob das Schälchen beiseite und entschloß sich zu einer vollkommen ehrlichen Antwort. »Vorher haben Medikamente mich jedesmal im Handumdrehen wieder hingekriegt. Heute. na, jetzt verspüre ich gar kein Bedürfnis, irgend etwas einzunehmen. falls Sie verstehen, was ich meine.«
    »Sie haben noch nie eine Krise so richtig ausgeschwitzt? Kein einziges Mal? Kaum ein Wunder, daß es Sie diesmal so schlimm ereilt hat.«
    »Für Sie ist es wohl alltäglich, wie?« maulte er sie gekränkt an. »Deshalb sind Sie so gescheit, was?«
    Sie schüttelte den Kopf; ihre Miene blieb gelassen. »Nein, mir ist so etwas noch nie passiert. Aber ich habe auch noch nie Beruhigungsmittel genommen. Wenn mir danach zumute ist, mich in den Schlaf zu weinen, dann mach ich's eben. Oder wenn ich keine Lust habe, zur Uni zu gehen, weil's ein so schöner Tag ist, dann gehe ich eben nicht hin. Ina erlitt einen Überflutungsschock, als ich ungefähr fünf war. Mein Vater und sie trennten sich damals. Von dem Zeitpunkt an hat sie ständig irgendwelchen Wirbel um ihre und auch meine geistige Gesundheit veranstaltet. Aber ich habe immer einen Zusammenhang zwischen den Pillen, die sie schluckte, und dem Verhalten bei ihren Zusammenbrüchen - die alles andere als erfreulich waren - in meinem Bewußtsein behalten, also tat ich stets nur so, als würde ich das Zeug nehmen, das sie mir gab, und sobald ich allein war, spuckte ich es aus. Ich habe große Übung darin bekommen, Tabletten und Kapseln unter meiner Zunge zu verstecken. Und ich nehme an, das war das Vernünftigste, was ich tun konnte. Die Mehrzahl meiner Bekannten ist mindestens einmal umgekippt, manche von ihnen zweioder dreimal, zum erstenmal schon in der Grundschule. Und anscheinend handelt es sich bei ihnen gerade um solche Kinder, denen ihre Eltern. äh. ganz besondere Fürsorge angedeihen ließen. Fürsorge, von der sie sich niemals erholen werden.«
    Irgendwie hatte eine vereinzelte Fliege die Abwehranlagen der Küche durchdrungen. Gesättigt, unter ihren Flügeln vollgefressen, summte sie nun auf der Suche nach einem Platz umher, wo sie ausruhen und verdauen konnte. Als verliehen die Zähne eines Sägeblatts seiner Stimme einen Unterton, fühlte er seine nächste Frage vom Summgeräusch in beunruhigender Weise unterstrichen. »Sie meinen diese Dinge, welche die Anti-Trauma durchführt?«
    »Für die Eltern, die Anti-Trauma bezahlen, damit sie sie an ihren wehrlosen Kindern verbrechen!« Ihre Stimme verriet furchtbaren Haß, die erste stärkere Gefühlsäußerung, die er bei ihr erlebte. »Aber das geschieht nicht zum erstenmal. Die AT ist die größte derartige Bande und macht die beste Reklame, aber sie ist keineswegs der Pionier auf diesem Gebiet. Ina und ich hatten im vergangenen Jahr Krach, und bei diesem Anlaß sagte sie zu mir, sie wünschte, sie hätte mir diese Art von Behandlung zukommen lassen. Ich mochte meine Mutter einmal ziemlich gern. Jetzt bin ich mir nicht länger so sicher.«
    »Ich vermute, sie glauben die beste und einzig richtige Sache zu tun«, sagte er mit einer Mattigkeit, die seiner gerade ausgestandenen Selbst-Neueinschätzung entsprang. »Sie möchten, daß ihre Kinder mit dem Leben fertigwerden, und es heißt, diese Methoden seien hervorragend dazu geeignet, Menschen der modernen Welt anzupassen.«
    »Das ist Sandy Locke, der da spricht«, sagte Kate. »Wer Sie auch sein mögen, ich weiß mit Sicherheit, daß Sie nicht er sind. Er ist eine Rolle, die Sie sich zugelegt haben. In Ihrem Herzen wissen Sie, daß das, was die Anti-Trauma macht, ungeheuerlich ist - oder nicht?«
    Er zögerte nur für einen Sekundenbruchteil, ehe er nickte. »Ja. Es ist völlig aussichtslos, irgendwie leugnen zu wollen, daß es ganz einfach eine Schlechtigkeit ist.«
    »Danke dafür, daß Sie endlich gleichziehen. Ich war davon überzeugt, daß niemand anders

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