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Der Schockwellenreiter

Der Schockwellenreiter

Titel: Der Schockwellenreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Brunner
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Verdruß auf Bundesebene vermeiden wollte. Und wenn es überhaupt irgend etwas gab, wovor man sich im Tarnover fürchtete, dann davor, daß die Medien das umgehängte Mäntelchen vorgetäuschter untergeordneter Bedeutung in Frage stellten. Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert. Seine Vorsätze waren von bequemer Natur. Sie übten schlichtweg gar keinen Einfluß auf sein Verhalten aus.
    »Ja, wer ist da?« Eine ungnädige Stimme aus dem Lautsprecher unterhalb der 3dF-Kamera. Und dann, nahezu im gleichen Atemzug: »Sandy! Mann, Sie sehen ja kaputt aus, und ich meine das nicht als Kompliment! Kommen Sie rein!« Das gleichgültige Knacken von Sicherheitsschlössern. Kaputt? Er dachte mit jenem sonderbar abgetrennten Teil seines Bewußtseins über dies Wort nach, der im Moment irgendwie von seinem Körper isoliert war, aber trotzdem weiter funktionierte, als hinge er an einem Ballon, der hinter seinem sterblichen Fleisch daherschwebte, während es nun Stufen erklomm, indem es nicht nur die Beine benutzte, sondern auch die Arme, um sich ans Treppengeländer zu klammern, damit es nicht zusammensacke. Das Fußgängergeschlecht verbündete sich mit den Armen des Wettrüstungsgeschlechts, um das Denkergeschlecht zu gewährleisten, und seine Gedanken wirbelten wirklich ganz schön schlecht herum. In der Höhe seiner Schläfen schien ein unsichtbares festes Band um seinen Kopf geschlungen zu sein. Ihm schwindelte vor qualvoller Anstrengung. Er sah doppelt. Als sich die Tür zu Kates Wohnung öffnete, erblickte er sie zweifach, zwei Ausgaben von ihr in verschlissenem roten Wickelkleid und braunen Sandalen. aber das war nicht so schlimm, denn dafür war ihr Gesicht deutlich voller Mitgefühl und Sorge, und davon konnte er gegenwärtig eine doppelte Dosis gut gebrauchen. Er vergoß wahre Bäche von Schweiß und glaubte, er müsse seine Füße in den Schuhen quietschen hören, wäre nicht schon sein Herzklopfen so laut gewesen, dessen Wummern auch die Frage übertönte, die sie aufgeregt stellte. »Was zum Teufel haben Sie genommen, fragte ich?« wiederholte sie sie lauter.
    Er forschte nach seiner Stimme, einem flüchtigen Raspeln in den Kavernen seiner Kehle, ausgetrocknet wie ein Bachbett in einem heißen Sommer bis hinab zu seinen gepeinigten Lungen. »Ni… arg… nichts.«
    »Mein Gott. In diesem Fall hat's Sie aber wahrhaftig schwer erwischt. Schnell, kommen Sie und legen Sie sich hin.« Mit einer inneren Distanz, als verfolge er das Geschehen durch die gleichmütigen Augen des alten Bagheera, nahm er wahr, wie sie ihn - so rasch und unwirklich wie im Traum - zu einer Couch mit Lederbezug halb führte, halb trug. Im FrühPleistozän hatte er darauf gesessen und Omelette mit Bier verzehrt. Es war ein hübscher sonniger Vormittag. Er ließ seine Lider sinken und schloß ihn von seiner Innenwelt aus, konzentrierte sich darauf, soviel Luft wie möglich einzuatmen, die hier einen leicht zitronenartigen Duft aufwies. Durch einen Knopf druck brachte sie Vorhänge zwischen ihn und die Sonne, dann kam sie im Dämmerlicht zu ihm, setzte sich an seine Seite und hielt seine Hand. Ihre Finger ertasteten seinen Puls so fachmännisch wie die einer ausgebildeten Krankenschwester. »Mir ist aufgefallen, daß Sie sich zuviel zumuten«, sagte sie. »Ich weiß zwar noch nicht, warum . aber das können Sie mir erzählen, wenn das Schlimmste ausgestanden ist. Falls Sie's möchten.«
    Zeit verstrich. Das Hämmern seines Herzschlags ließ nach. Der Schweiß, der ihm aus den Poren strömte, kühlte ab, machte seine modische Kleidung klamm. Er begann zu zittern; dann - ohne jede Vorwarnung - hörte er sich plötzlich schluchzen. Er weinte nicht - seine Augen waren trocken -, sondern schluchzte in schweren, gehusteten Keuchlauten, als schlüge ihn eine unsichtbare Faust wiederholt roh in die Magengrube. Irgendwann kam sie mit einer dicken Wolldecke von winterlichem Gewicht und breitete sie über ihn. Jahre waren vergangen, seit er so groben Stoff gefühlt hatte; heutzutage schlief man auf einem Druckluftbett, vor allen Härten geschützt durch ein Luftpolster. Die Decke weckte in ihm Tausende von rudimentären Kindheitserinnerungen. Seine Hände griffen zu wie Klauen, um sie sich über den Kopf zu ziehen, er zog die Knie zur Fötalhaltung an den Leib und wälzte sich auf die Seite, um wunderbarerweise sofort einzuschlafen.
    Beim Erwachen war ihm seltsam entspannt zumute. Er fühlte sich geläutert. Während der. Wie lange? Er blickte

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