Der Schoepfer
weisgemacht. Soll das etwa heißen, euch hätte bisher noch nie jemand eine Waffe an den Kopf gehalten?«
»Doch, natürlich«, sagte Michael. »Tausende von Malen.«
»Zehntausende«, sagte Carson. »Aber nie, während wir auf einem Boot waren. Vielleicht lag es an der Verbindung von der Waffe am Kopf und dem Schaukeln des Bootes.«
»Ka-ka, ka-ka, ka-ka«, sagte Scout.
Als sie sich vom Spülbecken abwandte und ihnen ins Gesicht sah, die Arme in die Hüften gestemmt und den Apfel in einer Faust, das Schälmesser in der anderen, wirkte Mary Margaret so streng, wie man es von der Mutter eines Geistlichen, eines Marines und zweier Nonnen hätte erwarten können, wenn sie wusste, dass jemand ihr etwas vormachte.
»Ganz gleich, wie ich auf euch wirke«, sagte sie, »dumm bin ich nun mal überhaupt nicht. Ihr habt Leute vollgekotzt … «
»Nur eine Person«, stellte Carson klar.
»… weil ihr jetzt mehr zu verlieren habt, so sieht das nämlich aus, als früher, als ihr Singles wart und keinen Knirps in Windeln hattet.«
Nach einem kurzen Schweigen sagte Carson: »Ich nehme an, da könnte ein Körnchen Wahrheit dran sein.«
»Vermutlich«, stimmte Michael ihr zu.
»Da ist nicht nur ein Körnchen Wahrheit dran«, sagte Mary Margaret, »sondern es ist die volle Wahrheit, Wort für Wort.«
Scout ließ ihren Teddybären fallen und griff nach der Nase ihres Vaters.
Carson hob den Bären auf.
Michael bog Scouts Daumen behutsam zur Seite und zog ihn aus seiner Nase.
»Muss ich euch rundheraus sagen, zu welcher Schlussfolgerung diese Tatsache führt?«, fragte Mary Margaret. »Na gut, dann werde ich es eben tun. Wenn ihr so viel zu verlieren habt, dass ihr beim kleinsten Risiko Leute vollkotzt, dann habt ihr nicht mehr den Nerv für riskante Jobs. Ihr solltet euch besser auf simple Scheidungsfälle verlegen und Frauen, die betrogen worden sind, zu ihrem Recht verhelfen.«
»Mit dieser Form von Arbeit lässt sich nicht viel Geld verdienen«, sagte Carson.
»Aber mit Sicherheit gibt es von Jahr zu Jahr mehr zu tun.«
»Es ist nicht immer die Frau, die betrogen wird«, sagte Michael. »Manchmal sind Männer die Treuen.«
Mary Margaret zog die Stirn in Falten. »Und ich würde empfehlen, dass wir uns nicht stolz zugutehalten, in einem Zeitalter zu leben, in dem so etwas wahr ist.«
Als sich das Kindermädchen wieder dem Schälen und Schneiden der Äpfel zuwandte und Duke seine Wache in der Hoffnung auf menschliche Güte oder Ungeschicklichkeit erneut aufnahm, erkundigte sich Carson nach ihrem Bruder. »Wo ist Arnie?«
»Im Studierzimmer«, sagte Mary Margaret, »und dort tut er das, was der Name dieses Zimmers bereits zu verstehen gibt. Ich habe noch nie einen Jungen gesehen, der so viel Spaß am Lernen hat. Das ist ebenso bewundernswert wie unnatürlich.«
Michael ging von der Küche zum Arbeitszimmer voraus, trug Scout und wiederholte: »Ga-ga-ga-ga, ba-ba-ba-ba-ba«, um das Baby zu weiterem Brabbeln anzuspornen, doch die Kleine sah ihn nur voller Erstaunen an, die blauen Augen weit aufgerissen und mit aufgesperrtem Mund, als sei sie entsetzt darüber, dass ihr Vater ein schnatternder Idiot zu sein schien.
»Lass sie nicht fallen«, warnte Carson.
»Du entwickelst dich zu einem ganz schön quengeligen Pingelpott«, sagte Michael.
»Als was hast du mich gerade beschimpft?«
»Ich habe dich überhaupt nicht beschimpft. Ich habe lediglich eine sachliche Feststellung getroffen.«
»Wenn du dieses Baby nicht im Arm hättest, bekämst du jetzt was ab.«
Michael wandte sich Scout zu. »Du bist meine kleine kugelsichere Weste.«
Carson sagte: »Mein Knie in deine Leisten. Ein quengeliger Pingelpott, meine Fresse.«
»Deine Mutter gehört zum Persönlichkeitstyp A«, sagte Michael zu Scout. »Zum Glück ist dieses Gen kein dominantes.«
Als sie das Arbeitszimmer erreichten, stellten sie fest, dass Arnie nicht mehr in seine Lehrbücher vertieft war. Er saß an einem Tisch und spielte Schach.
Sein Gegner, der hoch über dem Spielbrett aufragte, war Deucalion.
17.
Mr Lyss war gewaltig erschrocken. Er wirkte jetzt in dem Maß verängstigt, in dem er vorher wütend gewirkt hatte. Sein verkniffenes Gesicht war immer noch angespannt und verkrampft, aber nun konnte man sehen, dass es sich bei sämtlichen Falten um Sorgenfalten handelte.
Nummy O’Bannon durfte sich nicht auf die untere Pritsche setzen, weil sie Mr Lyss gehörte. Daher setzte er sich, auch wenn es ihm peinlich war, auf den Rand der Kloschüssel,
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