Der Schoepfer
die keinen Deckel hatte. Er beobachtete Mr Lyss, der hin und her lief.
Mr Lyss hatte versucht, mit den Leuten in den beiden anderen Zellen zu reden. Keiner von ihnen hatte auch nur ein Wort gesagt.
Dann hatte er sie angeschrien. Er hatte sie als taube Nüsse beschimpft, was auch immer das heißen mochte. Sie hatten ihn nicht einmal angesehen.
Schließlich hatte er gesagt, er würde ihnen Körperteile abschneiden und diese an die Schweine verfüttern. Im Gefängnis gab es keine Schweine, aber die Drohung war sehr überzeugend gewesen. Nummy hatte es ihm aufs Wort geglaubt und war erschauert. Mr Lyss hatte die stummen Leute verflucht und beleidigt. Er hatte sie angespuckt. Er hatte sie mit schriller Stimme angeschrien, während er auf dem Fleck herumgetanzt war wie ein wütender Kobold in einem dieser Märchen, die Großmama Nummy manchmal vorgelesen hatte.
Mr Lyss war es nicht gewohnt, ignoriert zu werden. Er hatte es nicht besonders gut aufgenommen.
Dann, nachdem er sich beruhigt hatte, war Mr Lyss an den Gitterstäben zwischen den Zellen stehen geblieben und hatte die stillen Leute in der Nachbarzelle beobachtet. Von Zeit zu Zeit teilte er Nummy nun seine Feststellungen mit.
»Sie tragen alle Schlafanzüge oder Unterwäsche und Morgenmäntel. Sie müssen aus ihren Häusern geholt worden sein, und man hat ihnen keine Gelegenheit gegeben, sich anzuziehen. Keiner von ihnen trägt Schuhe, nur Pantoffeln. Die meisten sind barfuß.«
Mr Lyss sah Ms Jessica Wanhaus, die hübsche Bibliothekarin, die von der Taille aufwärts nackt war. Er stieß einen Pfiff aus und benahm sich so, dass Nummy beinah schlecht wurde.
»Und sie haben irgendwas Glänzendes seitlich an den Köpfen«, sagte Mr Lyss. »Jedenfalls die, die ich deutlich sehen kann.«
»Was glänzt denn da?«, fragte Nummy.
»Das, was glänzt, du Dummbeutel. Woher soll ich denn wissen, was das ist? So was habe ich noch nie gesehen.«
»Tut mir leid, Sir«, sagte Nummy.
»Das sollte dir auch leidtun, Peaches. Dir sollte leidtun, dass du jemals geboren wurdest.«
»Es tut mir aber nicht leid. Ich bin froh, dass ich geboren wurde.«
»Was nur beweist, wie dumm du bist. Einige von denen haben fast tote Augen, wie Zombies.«
»Die Sorte Filme mag ich nicht«, sagte Nummy und erschauerte.
»Bei anderen sind die Augen ständig in Bewegung und voller Entsetzen.«
Nummy wünschte, Mr Lyss würde seine Beobachtungen für sich behalten. Großmama hatte gesagt, man habe die Wahl und entscheide selbst, ob man glücklich sei oder nicht. Und man sollte sich immer eine positive Einstellung bewahren. Aber es war nicht einfach, sich in Mr Lyss’ Gegenwart eine positive Einstellung zu bewahren.
Mit dem Rücken zu Nummy packte Mr Lyss die Gitterstäbe, sah zwischen ihnen hindurch und sagte: » Scheiße! «
Nummy, der auf der Klobrille saß, war nicht sicher, ob Mr Lyss ihm einen Befehl erteilt hatte. Falls das ein Befehl war, war er ungehörig.
»Hier gibt es Ärger, hier gibt es großen Ärger«, sagte Mr Lyss.
Es war nicht nur ungehörig, sondern es war auch nicht sein Recht. Großmama hatte gesagt, wenn sie nicht mehr da sei, könnte niemand Nummy vorschreiben, was er zu tun hätte, mit Ausnahme von Polizisten und Mr Leland Reese. Mr Leland Reese war Großmamas Anwalt. Er war ein braver Mann, dem man vertrauen konnte. Großmama hatte gesagt, wenn jemand anders Nummy vorschrieb, was er tun sollte, dann sei derjenige anmaßend. Anmaßend bedeutete, dass er kein Recht dazu hatte, Nummy herumzukommandieren. Mr Lyss hatte nicht das Recht, Nummy herumzukommandieren. Außerdem brauchte Nummy nicht zu kacken.
»Dort drüben in der hinteren Zelle«, sagte Mr Lyss, »da sitzt Polizeichef Jarmillo in seiner verdammten Unterwäsche. Und der Sergeant in seiner Uniform. Sergeant Rapp. Wie können sie in der Zelle sitzen, nachdem sie uns hier eingesperrt haben und wieder nach oben gegangen sind?«
Diese Frage konnte Nummy nicht beantworten. Aber selbst wenn er sie hätte beantworten können, hätte er, ganz gleich, was er sagte, ja doch nur zu hören bekommen, wie dumm er war. Daher saß er weiterhin mit geschlossenen Lippen da.
Laut Großmama war Schweigen meistens klüger. Nur die größten Narren hatten zu allem etwas zu sagen.
»Vielleicht hat Jarmillo einen Zwillingsbruder«, sagte Mr Lyss, »oder Rapp hat einen, aber nicht beide. Mit Zwillingen hat das, was hier vorgeht, nichts zu tun.«
Danach wandte er sich von den anderen Gefangenen ab und begann umherzulaufen,
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