Der Schoepfer
nicht, was ich da gesehen habe. Was diesen Leuten zugestoßen ist, das war widerlich und gruselig, aber ich könnte es keinem erzählen, weil ich nicht weiß, wie man das erzählen könnte. Und die Leute würden mir ohnehin nicht glauben, weil ich bin, wie ich bin. Ich bin nämlich ein Dummkopf.«
»Den Verdacht hatte ich auch schon«, sagte Mr Lyss. Er ging wieder zur Kommode, um einen Pullover auszusuchen.
Nummy setzte sich im Schlafzimmer des armen Fred vorsichtig auf die Bettkante. »Ich sehe immer wieder diese Dame vor mir.«
»Welche Dame?«
»Die, die ihre Hand durch die Gitterstäbe gestreckt und mich gefragt hat, ob ich sie retten könnte. Es macht mich traurig, dass ich ihr nicht geholfen habe.«
»Du bist ein Dummkopf. Dummköpfe sind nicht gescheit genug, um Menschen zu retten. Mach dir darüber keine Sorgen.«
»Sie sind kein Dummkopf.«
»Nein, ich bin keiner. Aber ich konnte sie auch nicht retten. Ich bin ein schlechter Mensch. Ich bin der schlechteste Mensch überhaupt. Schlechte Menschen retten niemanden.« Er wandte sich von der Kommode ab und hielt einen roten Pullover mit orangefarbenen und blauen Streifen hoch. »Was hältst du von dem hier?«
»Der ist furchtbar bunt, Sir.«
»Du hast recht. Ich will keine Aufmerksamkeit auf mich lenken.« Er warf den Pullover auf den Boden.
»Warum sind Sie ein schlechter Mensch?«, fragte Nummy.
»Weil es das ist, was ich am besten kann«, sagte Mr Lyss und warf weitere Kleidungsstücke auf den Boden.
»Wie haben Sie es gelernt?«
»Das ist angeboren.«
»Sind alle in Ihrer Familie schlechte Menschen?«
Mr Lyss zeigte ihm einen hellbraunen Pullover mit Karos in einem etwas dunkleren Braun. »Glaubst du, in dem würde ich gut aussehen?«
»Ich habe Ihnen ganz ehrlich gesagt, dass ich nicht lügen kann.«
Mr Lyss sah den Pullover stirnrunzelnd an und fragte: »Was ist gegen diesen Pullover einzuwenden?«
»Gar nichts, Sir.«
»Ah. Ich verstehe. Damit willst du wohl sagen, ich bin ein so hässlicher Brocken, dass ich in nichts gut aussehen würde.«
»Ich will das eben nicht sagen.«
Mr Lyss legte den Pullover auf einen Stuhl. Aus dem Schrank holte er eine Khakihose und legte sie zu dem Pullover.
»Was tun wir als Nächstes?«, fragte Nummy.
Der alte Mann nahm Socken und Unterwäsche aus einer anderen Schublade und sagte: »Wenn wir das Haus durch die vordere oder die hintere Tür verlassen, dann laufen wir Gefahr, dass einer der Bullen drüben in deinem Haus in diese Richtung schaut. Also steigen wir entweder durch ein Fenster aus, damit wir dieses Haus zwischen uns und den Bullen haben, oder wir warten, bis es dunkel wird.«
»Was ist mit Norman?«
»Um dich mache ich mir immer noch Gedanken. Es ist Unsinn, dich mitzunehmen, aber ich denke noch darüber nach. Drängeln nutzt dir nichts.«
»Ich meine Norman, meinen Hund.«
»Mach dir um den keine Sorgen. Ihm geht es gut.«
»Er ist allein mit ihnen drüben.«
»Was meinst du wohl, was sie mit ihm tun? Ihn ins Tierheim mitnehmen und ihn vergasen ? Er ist ein Stofftier. Du bist so dumm, dümmer geht es gar nicht, aber komm mir jetzt nicht auch noch blöd.«
»Es tut mir leid.«
»Sag nicht andauernd, dass es dir leidtut. Weshalb sollte dir etwas leidtun? Sag mal – stinke ich?«
»Es ist nicht nett, Leute auf ihre Fehler hinzuweisen.«
»Trau dich was. Mach schon. Sag mir, ob ich stinke.«
»Manche Leute könnten mögen, wie Sie riechen.«
»Wer? Was für Leute? Wer zum Teufel könnte mögen, wie ich rieche?«
»Ihnen selbst muss Ihr Geruch doch angenehm sein. Also wird es auch noch andere Menschen wie Sie geben, die diesen Geruch mögen.«
Mr Lyss klemmte sich die ausgewählten Kleidungsstücke unter den Arm und sagte: »Ich stelle mich unter die Dusche, bevor ich mich umziehe. Versuch bloß nicht, mir das auszureden.«
Nummy folgte dem alten Mann in den Flur und bis zur Tür des Badezimmers. »Was ist, wenn es an der Tür läutet, während Sie duschen?«
»Du machst nicht auf.«
»Was ist, wenn das Telefon läutet?«
»Du gehst nicht ran.«
»Was ist, wenn Mrs Trudy LaPierre zurückkommt?«
»Sie wird nicht zurückkommen.«
»Was ist, wenn … «
Mr Lyss drehte sich zu Nummy um, und sein Gesicht verzerrte sich, bis er wirklich nach einem Mann von der schlimmsten Sorte aussah, was er ja auch zu sein behauptete. »Lass mich endlich in Ruhe! Halte dich von den Fenstern fern, setz dich irgendwohin, und steck deinen Kopf in deinen Arsch, bis ich dir sage, du sollst ihn
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