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Der Schoepfer

Der Schoepfer

Titel: Der Schoepfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gudrún Eva Mínervudóttir
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brauchte mindestens zwei kleine Vierzig-Watt-Birnen mit dünnem Gewinde und ein paar normalgroße Sechzig-Watt-Birnen mit dickem Gewinde.
    »Guten Tag, Sveinn«, sagte jemand hinter ihm – mit prahlerischer, aber heller Stimme, die er zu kennen meinte, ohne zu wissen, woher. Als er sich umdrehte, war er nicht viel schlauer. Der Junge, der ihn angesprochen hatte, sah vertraut aus, mehr aber auch nicht. Klein und blond mit einem runden Gesicht und noch nicht im Stimmbruch, obwohl er bestimmt in dem Alter war.
    »Komisch, dass ich Sie gerade jetzt treffe«, sagte der Junge und spielte lässig mit einem winzigen Handy der teuersten Sorte – Gold mit schwarzen Tasten. »Ich hab mich schnell von Kjartan verabschiedet, als ich Sie gesehen hab. Er hat angerufen, um mir die Geschichte zu erzählen. Das ist ja ganz schön blöd für Sie, Mann.« Als er merkte, dass Sveinn ihn nicht erkannte,
fügte er schnell hinzu: »Ich heiße Lárus, wir haben uns mal bei Kjartan getroffen, als er ein halbes Jahr zu spät seinen Geburtstag gefeiert hat. Oder ein halbes Jahr zu früh.«
    »Ach ja«, sagte Sveinn desinteressiert. »Hallo.« Er versuchte, freundlich zu nicken, wusste aber nicht, ob sich ein Lächeln oder eine verwirrte Grimasse über sein Gesicht zog. Er wollte sich schnell an dem Jungen vorbeiquetschen und sich dabei verabschieden, aber der versperrte ihm den Weg, ohne seinen Eifer verbergen zu können. Er stand direkt neben Sveinn, beugte sich ungeachtet dessen aber noch näher zu ihm, so dass es fast aussah, als wolle er ihn über den Einkaufskorb mit den Glühbirnen hinweg an sich drücken.
    »Die Sache ist die, ich glaube, ich erinnere mich an sie«, sagte er leise.
    Sveinn schwirrten die Ohren vor Verständnislosigkeit. Er hatte keine Ahnung, was der Junge meinte und was er ihm antworten sollte. Jegliches Gefühl für die Zusammenhänge in der Welt wurde weggesogen und ließ ihn in einem schwindelnden Vakuum zufälliger Wörter und Handlungen zurück.
    Er spürte das primitive Verlangen, den Jungen wegzustoßen, lehnte sich aber nur zurück, schaute ihn argwöhnisch an und versuchte so auszusehen, als hätte er kein Interesse daran, dieses wirre Gespräch fortzusetzen.
    »Ich hatte heute Morgen um acht Uhr Schicht«, flüsterte der Junge mit erregt glänzenden Augen. »Sie war eine der Letzten, die bei mir durchgefahren sind. Sie muss es gewesen sein. Samstagmorgens ist eigentlich so gut wie nie Verkehr.«
    Sveinn nickte, erst langsam und dann schneller, als ihm klar wurde, dass der kleine Lárus an der Kasse am Eingang zum Hvalfjördur-Tunnel arbeitete.
    »Ich bin auf sie aufmerksam geworden, weil ich zuerst dachte,
sie würde weinen, aber als sie die Fensterscheibe runtergekurbelt hat, habe ich gesehen, dass sie nur komisch aussah und ziemlich aufgelöst war. Ich weiß nicht mehr, ob sie mit Karte oder bar bezahlt hat. Wenn sie mit Karte bezahlt hat, können wir sie verfolgen wie eine Kuh in den Stall. Wenn nicht, finden wir sie trotzdem. Es gibt Kameras.«
    Sveinn beschlich der alberne Gedanke, dass sich der Junge für illegale Infos bestechen lassen wollte, aber er musste sich dessen Aktionismus nur lange genug anschauen, um zu begreifen, dass es ihm nur um den Nervenkitzel ging.
    »Und du darfst solche Infos einfach so rausgeben?«, fragte Sveinn und zwang sich, kerzengerade und ganz ruhig stehen zu bleiben, um nicht gegen die Glühbirnen hinter sich oder gegen den Jungen zu stoßen, der ihm wie ein schwänzelnder Köter vorkam.
    »Meine Tante ist Schichtleiterin. Sie hat mir erklärt, wie das Kartengerät funktioniert, weil sie keine Lust hat, die Abrechnung immer selbst auszudrucken. Wenn wir Bilder brauchen, kann ich sie bestimmt überreden, uns zu helfen.«
    »Du armer, armer Junge«, dachte Sveinn. »Brauchst du einen Krieg oder eine Naturkatastrophe, um dich wichtig zu fühlen? Dir steht ja schon der kalte Schweiß auf der Stirn aus Gier, einer nervenschwachen Frau auf den Hals gehetzt zu werden, als Entschädigung für deinen ganzen Überdruss an der Welt.«
    Laut sagte er: »Ich wollte eigentlich die Polizei anrufen und denen die Sache überlassen.«
    Das war alles andere als die Wahrheit. Er hatte nichts Derartiges vor. Er würde vielleicht mit dem Auto nach Reykjavík fahren, falls er Hoffnung hatte, die Puppe zurückzubekommen, aber bestimmt keinen öffentlichen Zirkus daraus machen, bei dem jeder Idiot seine Künste präsentieren konnte. Die Sache
wurde ihm immer unangenehmer, je mehr Leute sich

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