Der Schoepfer
geworden war.
Dieser Lóa schien es ziemlich egal zu sein, dass sie kaum mehr etwas sehen konnte, denn ihr Glas fand noch den Weg zu ihren Lippen, aber Sveinn fand es trotzdem passend, die paar Schritte zum Lichtschalter zu gehen. Doch das Licht ging
nicht an, und sie hörten nur ein Schnarren und dann einen Knall.
Das führte dazu, dass sie ins Wohnzimmer wechselten, was wiederum dazu führte, dass er den Reifen völlig vergaß und keinen Gedanken daran verschwendete, warum er nicht schon längst im Bett war und Lóa ihm gegenübersaß, ausgelaugt von diesem ganzen Kummer, der ihn überhaupt nichts anging.
Als er sich dann endlich aufraffte und hinausging, um sich um den Wagen zu kümmern, war es schon zu spät. Sie konnte nicht mehr fahren, und er hatte nichts dagegen, dass sie noch ein bisschen blieb.
Er war viel zu müde gewesen, um sich darüber im Klaren zu sein, ob er mit ihr schlafen wollte, nur nicht zu müde, um die Einsamkeit zu spüren, die sich wie ein winziger Stacheldraht um sein Zwerchfell schlang.
Sveinn strich sich die Staubkrümel aus dem Gesicht und den Haaren, holte Schaufel und Handfeger aus dem Besenschrank, fegte den Tisch und den Stuhl ab, auf dem er gestanden hatte, und säuberte den Fußboden so gut es ging.
Und was nun? Er hatte die Lebensmittel in Schränke und Schubladen geräumt, ein paar Scheiben Brot gegessen, zum zweiten Mal an diesem Tag die Zeitungen gelesen und keine Lust, sich wieder ins Bett zu legen.
Seine Beine gingen automatisch Richtung Werkstatt, blieben aber mitten im Flur stehen; es war zu deprimierend, die Spuren vom Morgen zu sehen, und außerdem hatte er dort überhaupt nichts zu erledigen.
Er überlegte, zum nächsten Baumarkt zu fahren, Farbe zu kaufen und den Anbau von außen zu streichen, die Wand genauso strahlend schön zu machen wie die Fensterläden, die er letztens angepinselt hatte – aber nein, er hatte nicht genug
Energie. Heute nicht. Vielleicht morgen. Außerdem musste er die Isolierung der Baracke erneuern – das Wellblech rostete schon durch den Anstrich.
Wenn er nicht arbeitete, stand er sich selbst im Weg. Wie ein unerwünschtes Anhängsel in seinem eigenen, einsamen Dasein.
So war es nicht immer gewesen. Während des Studiums hatte er es schon genossen, frei zu haben. Seine Bekannten und Kommilitonen auf einen Kaffee getroffen, der gegen Abend oft durch Bier ersetzt wurde. Bücher über Kunst und Technologie gelesen, sogar philosophische Schriften und Romane.
Eine merkwürdige Vorstellung. Er konnte sich überhaupt nicht mehr in diesen Jungen hineinversetzen, der er früher einmal gewesen war. Hatte er wirklich gern gelesen? War er damals anspruchsvoller? Hatte das Gewölbe seines Geistes eine höhere Decke und weitere Mauern? Oder war er nur überehrgeizig und affektiert? Vielleicht hatte seine unausgesprochene Devise ungefähr so gelautet: Ich will mich nicht vor den Mädchen lächerlich machen, weil ich nicht mitreden kann, wenn sie Nietzsche oder Susan Sontag zitieren. Und ich will nicht einer dieser Schwachköpfe werden, die von nichts eine Ahnung haben und nur darauf aus sind, Geld zu scheffeln.
Falls es so gewesen war, hatte er seinen Plan bis zu einem gewissen Grad umgesetzt. Er war ein eloquenter junger Mann gewesen, und Geld interessierte ihn immer noch nicht besonders. Aber er hatte fast alles vergessen, was er gelesen hatte, und fühlte sich unwohl in Gesellschaft übermäßig intellektueller Menschen, vor allem, wenn es Frauen waren. Er hatte das Gefühl, in ihren Augen kein attraktiver Mann zu sein, sondern eine Kuriosität, über die man spaßeshalber gerne Gespräche führte, die wie in einem Woody-Allen-Film klangen. Wenn
sie eine Dreiviertelstunde lang über ihn geredet hatten, glaubten sie, seine Psyche besser zu verstehen als er selbst, und ihre Achtung für ihn befand sich auf derselben Stufe wie die für die Ureinwohner von Australien oder für jene Geschlechtsgenossinnen, die ihre Armut mit Prostitution und Striptease bekämpften. Sie dichteten ihm alle möglichen Gründe für seine Berufswahl an, unbewusste Gründe, deren Wurzeln in seiner Kindheit und dem Zeitgeist lagen, von dem er sich offenbar beeinflussen ließ, weil er nicht die Voraussetzungen, also Bildung und Talent hatte, um die Perversion der Normen zu durchschauen.
Das Telefon riss ihn aus seinen Gedanken – das erleuchtete Display zeigte nur das Wort Anonym . »Hallo«, antwortete er, »hallo?«
Es war nichts zu hören, noch nicht einmal
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