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Der Schoepfer

Der Schoepfer

Titel: Der Schoepfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gudrún Eva Mínervudóttir
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und sang mit merkwürdigem Südstaatenakzent: »Looong Jooohn Silveerrrrr. «
    »Setz dich vernünftig hin und schnall dich an«, sagte Lóa.
»Sofort, auf der Stelle. Wir sind schon viel zu spät, um Margrét abzuholen.«
    »Silveeer!«, sang Ína, nahezu taub in ihrem Einkaufsrausch, und Lóa gab auf, schnallte den Gurt über Rücken und Oberschenkel ihrer Tochter und setzte schnell den Wagen zurück. Die Uhr auf dem Armaturenbrett zeigte 14:50. Die Prüfung war seit zwanzig Minuten zu Ende, und sie brauchten noch zehn Minuten bis zur Hagi-Schule, wo Margrét jetzt saß und auf sie wartete, daran gewöhnt, herumzuhängen und auf ihre Mutter zu warten, die immer dachte, sie könnte die ganze Welt in einen winzigen Zeitrahmen pressen.
    »Ich hänge mich fast auf«, sagte Ína, die sich besser hingesetzt und den Gurt jetzt quer über dem Hals hatte.
    Lóa reckte sich nach dem Kissen auf dem Rücksitz und gab es Ína, die es unter sich schob.
    »Puh, da hat nicht viel gefehlt, Mama, ich hab gar keine Luft mehr bekommen«, sagte Ína. »Margrét wird total neidisch sein, wenn sie das Rad sieht.«
    »Meinst du?«, fragte Lóa. »Glaubst du, sie will auch so ein Fahrrad?«
    Ína formte mit der Hand eine Pistole, zielte damit auf ihren Kopf, schnalzte zweimal – womit sie den Hahn löste – und drückte mit einem zischenden Geräusch ab. Das bedeutete, dass das eine dumme Frage war. Entweder, weil Margrét natürlich so ein Rad haben wollte, oder weil Margrét natürlich nicht so ein Rad haben wollte. Lóa war sich nicht sicher, wie Ínas Gedankenwelt aussah, denn manchmal war sie wie eine Erwachsene und manchmal wie ein Kind.
    Lóa steuerte den nächsten freien Parkplatz an, bat Ína, einen Moment zu warten, ließ den Motor laufen und rannte in die Schule. Margrét war nirgends zu sehen. An den Haken hingen
vergessene Jacken und Tüten mit Schwimmsachen und Handtüchern, es roch nach nassen Handschuhen und altem Brot mit einem Hauch scharfem Putzmittel.
    Lóa strich mit dem Finger über die Tafel, die an der Wand hing, suchte den Raum, in dem Margréts Klausur stattgefunden hatte, und eilte dorthin. Die Tür war nicht abgeschlossen, und der Raum war leer. Die Fenster waren zu, aber eins war offensichtlich undicht, und wenn ein Windstoß dagegenprallte, pfiff es. Draußen tobte der Sturm, peitschte das Netz eines einsamen Basketballkorbs und drückte ein paar Birkenbäumchen fast auf den Asphalt.
    Auf dem Tisch, der am nächsten zur Tür stand, lag ein Radiergummi, der wie eine Rakete geformt war. Margrét besaß so einen Radiergummi. Lóa steckte ihn in die Tasche und eilte dann weiter durch den Flur, einem grauhaarigen, apathischen Mann in Hausschuhen, der sie fragend anschaute, direkt in die Arme.
    »Ich will meine Tochter abholen, sie hat hier eben eine Klausur geschrieben«, sagte Lóa.
    Der Mann schaute sich langsam um und antwortete: »Sieht ganz so aus, als wären schon alle weg.«
    »Das kann nicht sein«, entgegnete sie und starrte den Mann an, als glaube sie, er könne sich in eine andere Dimension beamen und Margrét plötzlich vor ihnen auftauchen lassen.
    Der Mann zuckte mit den Achseln und ging weiter, und Lóa schaute ihm nach, wie er um die Ecke verschwand. Dann tastete sie in ihrer Manteltasche nach ihrem Handy und wählte Margréts Nummer. Hinter ihr erschallte ein gedämpfter R&B-Klingelton, und Lóa drehte sich auf dem Absatz um und ging auf den Ton zu. Da hing Margréts Jeansjacke, und das vibrierende, rot leuchtende Handy in der Brusttasche gab diesen metallischen
Dance Music Sound von sich. Lóa steckte es in die Tasche zu dem Radiergummi und brachte es zum Schweigen, indem sie auf eine Taste ihres eigenen Handys drückte. Dann nahm sie die Jeansjacke vom Haken und ging mit schnellen Schritten in Richtung Sekretariat.
    Dort traf sie niemanden an, aber sie konnte undeutliche Stimmen aus dem danebenliegenden Lehrerzimmer hören. Ohne anzuklopfen stürmte sie hinein und stand schon wieder dem grauhaarigen Mann gegenüber, der mit drei Frauen am Tisch saß, einer blutjungen und zwei mittleren Alters. Alle hielten Kaffeetassen in den Händen, außer der jungen Frau, die gerade Wolle und Stricknadeln in einen bunten Beutel steckte. Alle sahen Lóa an, als hätten sie sie bei einer unmoralischen Tat ertappt.
    Sie wandte sich an den Grauhaarigen und sagte: »Ich habe ihre Jacke und ihr Handy gefunden. Sie muss noch irgendwo hier sein.«
    Der Mann machte ein dümmliches Gesicht und antwortete nicht.
    »Wo

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