Der Schoepfer
es von dem dicken Teppichboden im Treppenhaus erstickt wurde.
War die Puppe für das Mädchen bestimmt gewesen? Der Aufkleber auf der Stirn wies darauf hin, aber das Zimmer, in dem die Schwarzhaarige gelegen hatte, sah nicht aus wie das Zimmer eines kleinen Mädchens, sondern eher wie ein adrettes Pensionszimmer.
Er wurde sauer. Welches Recht hatte diese Frau, ihn so schäbig zu behandeln, obwohl er nur nett zu ihr gewesen war, während sie es ihm mit Betrug, Diebstahl und Nachstellungen entlohnt hatte? Es war ihm gleichgültig, ob sie in Eile war – sie konnte ihn zumindest grüßen, ihm die Sache erklären, ihn um Entschuldigung bitten. Es war völlig absurd, dass man ihn draußen in der Kälte stehen ließ, während drinnen eine Art dunkle weibliche Verschwörung oder Gott weiß was im Gange war.
Sveinn humpelte mit seiner Fracht zurück in die Wohnung, und diesmal tat nicht nur Lóa, sondern alle so, als sähen sie ihn nicht. Bis auf das kleine Mädchen, das ihn mit rotgeflecktem Gesicht anschaute und schniefte, als er die Schwarzhaarige vorsichtig in einer Kuhle auf dem Sofa ablegte.
Er musterte das weinende Mädchen, und bei dem Gedanken an die vielen Bestellungen, die er für Puppen mit Kinderkörpern bekommen – und nicht ausgeführt hatte –, lief ihm ein Schauer über den Rücken.
Vielleicht war es seine moralische Pflicht, solche Puppen zu
produzieren. Das war immerhin besser, als wenn sich die Männer an wehrlosen Kindern vergingen.
Konnte man das von ihm erwarten? Schließlich handelte es sich nur um seinen Job, aber warum sollte er sich die Hände mit etwas schmutzig machen, das ihn anekelte?
»Wie viel Uhr ist es, Mama? Wir kommen zu spät zum Geburtstag«, heulte das Mädchen. »Und ich hab noch kein Kostüm, ich darf nicht rein, wenn ich kein Kostüm anhabe.«
»Wir finden schon was für dich, mein Schatz«, sagte Lóa.
»Neihein, ich will ein richtiges Kostüm, alle haben ein richtiges Kostüm, und ich will nicht zu späähät kommen!«
»Mama, kannst du Ína zu diesem Geburtstag bringen, und darf sie heute bei dir übernachten?«, fragte Lóa.
Das kleine Mädchen, die Türschildmalerin, rannte aus dem Wohnzimmer.
»Ja, Liebes, natürlich«, antwortete die Mutter.
»Was hat die Polizei gesagt?«, fragte die Freundin.
»Ich soll morgen wiederkommen«, sagte Lóa mit gepresster Stimme, so als drücke ihr eine starke Faust die Kehle zu.
Sveinn wurde unruhig. Vielleicht sollte er sich aufmachen. Weg aus diesem Haus der Angst. Schnell zum Wagen gehen und nach Hause zurückkehren in die Einfachheit des idyllischen Landlebens.
Aber er brauchte Hilfe, um die Schwarzhaarige wieder auf die Schulter zu hieven.
»Entschuldigung«, sagte er, aber die drei Frauen hörten ihm gar nicht zu. Jetzt lachten sie wie verrückt. Was war hier los?
Das kleine Mädchen kam mit feuchten Wangen und einer großen, roten Haarbürste zurückgelaufen, setzte sich zu der Puppe aufs Sofa und wollte sie bürsten, aber die Bürste blieb in den filzigen Haaren stecken.
Er ging zu ihr und hockte sich neben sie, obwohl sein Knie das eigentlich nicht erlaubte.
»Wie heißt du, Kleine?«, fragte er, während er begann, die Haare vorsichtig zu entwirren.
»Ína«, antwortete sie.
»Und wie alt bist du?«
»Sieben.«
Er hielt die schwarzen Seidenhaare mit einer Hand fest, zeigte Ína das Ende und sagte: »Du musst hier unten anfangen, sieh mal, dann geht es leichter.«
X
Montag
Der Verkäufer im Fahrradgeschäft war ein lebhafter Junge, nicht viel älter als zwanzig, mit glattrasiertem Schädel und in einem Kapuzenpulli mit einem riesigen Motorradmotiv.
»Ich helfe Ihnen, es ins Auto zu tragen, es ist so stürmisch draußen«, sagte er und hob Ínas neues Fahrrad hoch – ein silbernes mit einer rosa Klingel am Lenker, rotem Schutzblech und rotem Ständer.
Ína wollte vorauslaufen, aber Lóa griff nach ihrem Arm. »Ich nehme dich an die Hand. Sonst läufst du noch vor ein Auto.«
Sie entriegelte den Wagen mit dem automatischen Türöffner und hielt Ína fest an der Hand, während der Junge das Fahrrad in den Kofferraum legte. Dann ließ sie Ína auf der Fahrerseite einsteigen und schob sie sanft auf den Beifahrersitz.
Der Junge winkte und rannte gebückt quer über den Parkplatz, die Kapuze wie ein gehisstes Segel hinter sich.
Ína war so aufgeregt, dass sie nicht den Mund halten und stillsitzen konnte. Sie kniete sich auf den Beifahrersitz, umfasste mit beiden Händen die Kopfstütze, hüpfte auf und ab
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