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Der Schoepfer

Der Schoepfer

Titel: Der Schoepfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gudrún Eva Mínervudóttir
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stimmte, musste sie ein ziemlich schlechtes Gewissen haben, denn sie wachte bei dem kleinsten Geräusch oder der kleinsten Bewegung auf.
    Lóa zögerte nur einen kurzen Moment, legte sich dann vollständig bekleidet neben Sveinn und zog eine Ecke der Bettdecke über sich. Sveinn verschluckte sich mitten im Schnarchen, war aber immer noch im Tiefschlaf, und Lóas Herzschlag beruhigte sich langsam. Die Wärme unter der Bettdecke hatte einen tröstlichen Einfluss, und Sveinn strahlte einen intensiven Körpergeruch aus, der aber nicht direkt schlecht war; er roch nach ungewaschenem Haar, sauberem Schweiß und irgendetwas Bitterem, das sie nicht richtig einordnen konnte.
    Der Schlaf übermannte sie, und das Letzte, was sie spürte, war, dass ihr Kopf gegen Sveinns warmes Schulterblatt fiel und sie das Gefühl hatte, er sei ein anderer.

XIII
Dienstag
    Ein Vibrieren in der Leistengegend ließ sein verletztes Knie im Halbschlaf gegen die Wand stoßen, und der Schmerz zog in seine Hüfte. »Was …?«, murmelte er und nahm das leuchtende Handy aus seiner Hosentasche. Das Vibrieren hörte auf, und das Display erlosch. Er wollte sich gerade darüber ärgern, dass er nicht rangegangen war, als das Vibrieren von Neuem begann.
    »Hallo, meine redselige, tolerante Freundin, was gibt’s?«, sagte er müde ins Telefon.
    » Killer «, erklang eine hohle Männerstimme, vermutlich aus dem Fernsehen aufgenommen. » Murderer. Motherfucker. I am going to fuck you over and fuck you good. «
    »Äh, jetzt hören Sie mal …«, setzte Sveinn an, aber da war die Verbindung bereits abgerissen.
    Er setzte sich im Bett auf, so klar im Kopf wie schon lange nicht mehr, wobei sich der Schmerz in seiner Schulter verstärkte, je wacher er wurde. Er musste sich mehr von diesem starken Schmerzmittel besorgen, das war das Allerwichtigste. Abgesehen davon, von hier wegzukommen. Mit der Schwarzhaarigen nach Hause zu fahren. Aber erst musste er Lóa erklären, dass er ein Mensch war wie sie – kein Werkzeug des Bösen in der Welt.

    Als er ins Wohnzimmer kam, summte der Computer auf dem Tisch wie am Abend zuvor, und obwohl Lóa nirgends zu sehen war, hörte er, wie sie durch die Wohnung tobte. Jetzt blieb sie im Flur stehen und zog die Kommodenschubladen auf und zu. Vielleicht versuchte sie auf diese merkwürdige Art und Weise, sich von dem Drohanruf zu erholen. Oder sie suchte in Schubladen und Schränken nach der erfrorenen Leiche ihrer Tochter.
    Sveinn fuhr sich mit der Hand übers Gesicht, schaute an sich herunter, um sicherzugehen, dass er keine Spucke am Kinn und keinen offenen Hosenstall hatte, und machte sich bereit, sie geradeheraus zu fragen, wie sie ihn umbringen wollte und was er ihr eigentlich getan hatte. Doch als er sie sah, brachte er es nicht über sich. Er konnte einfach nicht so hart zu ihr sein, zu dieser elenden Gestalt mit verklebten Haaren, angstverzerrten Lippen und gekrümmten Schultern, die viel schmaler wirkten als gestern.
    »Einen wunderschönen guten Morgen«, sagte er.
    »Wie hast du geschlafen?«, fragte sie und schaute durch ihn hindurch, während sie die oberste Kommodenschublade zuschob.
    Er schnaubte, ging geradewegs ins Bad und schloss hinter sich ab. Pinkelte und während er sich die Hände wusch, betrachtete er sein Gesicht im gnadenlosen Licht des Spiegels mit dem vergoldeten Rahmen. Er erschrak, als er zum ersten Mal in seinem Leben die deutlichen Altersspuren auf der Stirn und um die Augen wahrnahm. Und diese tiefen Furchen, die sich von der Nase zu den Mundwinkeln zogen.
    Er war vierzig, das war ganz normal. Aber er hatte es bisher nur nicht richtig bemerkt. Es war ja nicht so, dass sein Spiegelbild ihn bedrohlich ansprang und ihm ein trauriges Ende prophezeite.

    Im Schrank neben dem Spiegel standen dicke Glastiegel mit exklusiven Cremes. Er erinnerte sich dunkel an einige der Namen : »Clarins«, »Lancôme«, »Shisheido«, und vermutete, dass das meiste davon fürs Gesicht war. Lóa schien im Vergleich zu ihm wachsamer zu sein.
    Vielleicht sollte er es ihr nachtun, in einen Kosmetikladen marschieren und nach einer Gesichtscreme fragen. Aber wie sollte er sich verhalten? Was sollte er zu der Verkäuferin sagen? »Ich will nicht älter werden und habe Angst vor dem Tod, möchte aber nicht mehr als zehntausend Kronen ausgeben, hätten Sie da was für mich?«
    Er lachte laut auf, trocknete seine Hände an dem weichen, hellroten Handtuch ab und verließ das Bad, gewappnet mit dem Gefühl, dass er nichts zu

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