Der Schoepfer
verlieren hatte und dass das alles nicht so wichtig war, wie er kurz zuvor noch geglaubt hatte.
Lóa saß am Esstisch, den Kopf in den Händen vergraben, wobei die Kuppen ihrer Ringfinger sich in der Mitte der Stirn berührten.
»Was machst du?«, fragte er.
Sie schaute ihn an, antwortete aber nicht.
»Ich glaube, ich sollte mich auf den Heimweg machen. Kannst du mir vielleicht helfen, die da ins Auto zu tragen?«, sagte er und zeigte auf die Schwarzhaarige.
»Ja, natürlich«, antwortete Lóa. »Aber es kann sein, dass du es nicht bis nach Hause schaffst. In Kjalarnes sind Windböen angekündigt mit bis zu fünfundvierzig Metern pro Sekunde.«
Sveinn seufzte verwirrt. Die Schmerzen hinderten ihn daran, eine Entscheidung zu treffen.
Er öffnete den Mund und wollte sagen: »Ich weiß nicht, was du eigentlich von mir willst …«
Lóa schaute ihn mit gerunzelter Stirn an.
Aber er konnte nichts mehr sagen, denn das Handy in seiner Tasche klingelte schon wieder und schnürte ihm die Kehle zu. Was, wenn er sich geirrt hatte? Lóa sah ihn immer noch an, als sei er verrückt und nicht sie.
»Entschuldigung«, murmelte er und wandte sich mit dem Telefon in der Hand von ihr ab. Es war Lárus.
»Hallo«, sagte Sveinn, ungewohnt freundlich vor Erleichterung, dass es Lárus und nicht die Stalkerin war. Er wollte nicht von seiner Überzeugung abrücken: dass Lóa die Stalkerin war.
»Ja, hallo«, entgegnete Lárus hastig, als fürchte er, Sveinn würde auflegen, bevor er zu Ende sprechen konnte. »Ich bin in Reykjavík und dachte, Sie brauchen vielleicht was, wo ich schon mal in der Stadt bin.«
»Ich bin auch in der Stadt«, sagte Sveinn. »Sitze hier wegen des schlechten Wetters fest. Und du auch. Das wüsstest du, wenn du Nachrichten hören würdest.«
»Moment mal«, sagte Lárus, der anscheinend versuchte, seinem schicken Goldhandy irgendwelche schlauen Infos zu entlocken – Sveinn hörte, wie er auf den Tasten herumdrückte. »Ja, Sie haben Recht. Total verrücktes Wetter in Akranes. Autos werden von der Straße geweht und so. Sie brauchen also nichts?«, fügte er hinzu, zu jung, um seinen Eifer verbergen zu können.
»Wenn du eine ordentliche Menge starkes Schmerzmittel besorgen und bei mir vorbeibringen könntest, wäre ich dir ewig dankbar, am besten Morphium oder Heroin«, antwortete Sveinn und lachte.
»Ist doch selbstverständlich«, sagte Lárus. »Sind Sie bei ihr? War sie es, die…?« Offenbar war er bereit, sich selbst die Schuld zu geben, falls sich sein Hinweis als falsch herausstellen würde.
»Ja«, sagte Sveinn und schaute zu Lóa. »Sie hat sich die Puppe geliehen. Wenn du mit Kjartan sprichst, kannst du ihm sagen, dass er aufatmen kann, das Ding ist wieder aufgetaucht. Und danke für deine Hilfe, mein Freund. Ich hätte das ohne dich nie geschafft. Und pass auf, dass du nicht wegfliegst. Wir sehen uns dann vielleicht bei Kjartans nächstem Geburtstag.«
Sveinn ging mit langsamen Schritten durchs Esszimmer ins Wohnzimmer und ließ sich vorsichtig auf das Sofa sinken, auf dem er gestern eingeschlafen war. Die beiden Zimmer waren nur durch eine Teilwand auf der Fensterseite voneinander abgetrennt, so dass er immer noch in Lóas direktem Blickfeld war.
»Hast du starke Schmerzen?«, fragte sie.
»Ich habe gestern die Schmerztabletten aufgebraucht«, antwortete er und wunderte sich wieder über die hohe Zimmerdecke. Ihm wurde fast schwindelig, wenn er an die Decke hochschaute.
Lóa ging in die Küche und kam mit einem Glas Wasser und zwei weißen, länglichen Tabletten zurück.
»Was ist das?«
»Ibuprofen. Das Einzige, was ich habe.«
Sveinn trank die Hälfte des Wassers und musterte die Tabletten in seiner Hand zögernd.
»Was ist?«, fragte Lóa. »Ibuprofen ist das absolut harmlose Nationalgericht der Isländer. Daran ist bisher noch niemand gestorben.«
Machte sie sich etwa über ihn lustig? Wollte sie seine Reaktion testen, indem sie ihm eine halbe Stunde nach der Morddrohung ein nicht gekennzeichnetes Medikament gab?
Sveinn schluckte das Zeug runter.
»Findest du es nicht komisch, dass ich hier bei dir rumhänge? «, fragte er.
»Du kannst gerne hierbleiben, solange das Wetter verrückt spielt«, antwortete sie merkwürdig einschmeichelnd. »Im Vergleich zu mir bist du eine angenehme Gesellschaft.«
Er lachte laut auf. »Kann man wohl sagen. Du benimmst dich nicht gerade vorbildlich, wenn ich das so dreist sagen darf.«
Sie atmete tief ein und schaute mit abwesendem
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