Der Schoepfer
ja nicht viel gebracht. Vielleicht sein Leben um ein paar Monate verlängert, aber sie würden Lóa wohl kaum denselben Nutzen erweisen. Nein, ihre Mutter war offenbar nicht ganz bei Sinnen gewesen, als sie die Kiste eingeräumt hatte. Sie wollte nichts wegschmeißen, es aber auch nicht vor Augen haben und hatte es stattdessen Lóa aufgedrückt.
Eine große, schwere Hasselblad-Kamera, die ihr Vater ihr vor dreißig Jahren als Erbstück versprochen hatte. Ein halbvolles Gläschen Vaseline. Ihr Vater hatte fest an Vaseline geglaubt. Vaseline gegen die schmerzenden Euter erschöpfter Kühe, Vaseline gegen trockene Lippen, Vaseline, um Leder weich zu machen, Vaseline bei Sonnenbrand, Ausschlag, Schuppen, Hühneraugen.
Dann waren da noch ein Flachmann aus Silber mit der Aufschrift Muggur und die ganzen Briefe, die sie irgendwann einmal lesen würde, um etwas Unerwartetes über den Charakter ihres Vaters herauszufinden. Vielleicht hatte er wildere Seiten gehabt als die, die er in den eigenen vier Wänden gezeigt hatte. Oder gar eine seltene Art von Humor, den er nur mit seinen Freunden in Briefen teilte oder wenn sie Alkohol tranken. Lóa wünschte sich, falsch zu liegen in ihrer Annahme, ihr Vater sei völlig humorlos gewesen.
Sie räumte die Gegenstände wieder in die Kiste, brachte sie in den Abstellraum und suchte weiter nach etwas, ohne zu wissen, nach was.
In einer Schublade in der Küche fand sie unter einem dicken Stapel Lappen und Spültücher ein lilafarbenes, vollmähniges Plastikpferdchen. Es war natürlich von Ína, nur merkwürdig, dass sie es versteckt hatte. Hoffentlich hatte sie es nicht geklaut. Und in dem fingerbreiten Zwischenraum zwischen dem Kühlschrank und dem Regal fand sie im Staub einen goldenen Ring mit einem winzigen Diamanten, den sie meinte, vor vielen Jahren bei einem Picknick verloren zu haben.
Als sie im Wohnbereich alles auf den Kopf gestellt hatte und gerade im Flur herumkramte, tauchte Sveinn auf, mit gekränktem Misstrauen im Blick, als hätte sie ihm etwas unsäglich Böses angetan. Hatte er bemerkt, dass sie bei ihm im Bett gelegen hatte, und war so furchtbar schockiert darüber?
»Wie hast du geschlafen?«, fragte sie, aber er schnaubte nur und stürmte an ihr vorbei ins Badezimmer.
Sie versuchte, sich davon nicht beeindrucken zu lassen, ging schnurstracks in Margréts Zimmer und schaute unter die Matratze.
Gegen Mittag schaffte sie es, sich zu ein bisschen Mitgefühl und Gastfreundschaft durchzuringen. Zu fragen, wie er sich fühlte, und ihm etwas gegen die Schmerzen zu geben.
Er nahm sich ausreichend Bedenkzeit, bevor er diesen harmlosen Freundschaftsversuch annahm, und starrte in Lóas Augen, während er die Tabletten runterschluckte. Sie fand sein Verhalten aggressiv und seltsam, aber immer noch besser, ihn zu sehen und telefonieren zu hören, als sich vorzustellen, dass er die ganze Stadt wegen dieser Puppe verrückt machte. Solange
er bei ihr war, hatte sie noch die Hoffnung, sich mit ihm versöhnen zu können.
»Findest du es nicht komisch, dass ich hier bei dir rumhänge? «, fragte er.
»Ich kann froh sein, dass du so friedlich bist, wenn man bedenkt, wie ich mich bei dir aufgeführt habe«, antwortete sie und lächelte dumpf.
»Kann man wohl sagen«, entgegnete er trocken. »Du hast dich nicht gerade von deiner besten Seite gezeigt.«
Da war es. Es reichte ihm nicht, dass sie ihn um Verzeihung bat, sondern er wollte, dass sie vor Reue vor ihm auf die Knie fiel. Aber sie war froh, dass er zumindest davon ausging, dass sie auch bessere Seiten hatte.
»Du hättest mich ja nicht reinbitten müssen«, sagte sie. »Du warst nicht verpflichtet, mir beim Reifenwechseln zu helfen, hast es aber trotzdem gemacht. Ich habe mich dagegen wie ein verzogenes Kind benommen. Aber ich stehe in letzter Zeit stark unter Druck, und ob du es nun glaubst oder nicht, ich wollte die Puppe zurückbringen.«
Sie verstummte und fügte dann hinzu: »Gibt es irgendeinen Grund, die Polizei da mit reinzuziehen? Ich bin bereit, den vollen Preis für die Puppe und Schadenersatz für den Ärger und die Unannehmlichkeiten zu zahlen.«
»Manche Unannehmlichkeiten lassen sich nicht mit Geld aufwiegen«, sagte er, und obwohl er ein kühles Lachen ausstieß, schien er das vollkommen ernst zu meinen. »Ich habe kein Interesse daran, die Polizei da mit reinzuziehen. Aber wenn diese Belästigungen weitergehen, bleibt mir nichts anderes übrig, wenn ich ehrlich sein soll,
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