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Der Schoepfer

Der Schoepfer

Titel: Der Schoepfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gudrún Eva Mínervudóttir
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Fräulein.«
    »Verstehe«, sagte Lóa, obwohl sie keineswegs verstand, warum er die Sache so persönlich nahm oder wie er auf die Idee
kam, ihren kleinen moralischen Fehltritt als Belästigung anzusehen.
    »Ich weiß ja nicht, inwiefern du davon profitieren wolltest«, sagte er.
    Profit war nun wirklich das Allerletzte, an das sie an jenem Morgen, der in ihrer Erinnerung bereits verblasst war, gedacht hatte. Sveinn drückte sich wirklich merkwürdig aus. Man hätte meinen können, er leide an einer Sprachstörung oder einer milden Form von Tourette.
    Jetzt lächelte er wesentlich entgegenkommender und reichte ihr die Hand.
    Sie schlug ein. »Danke, dass du das so gut aufgenommen hast.«
    »Mein herzliches Beileid wegen deines Vaters«, sagte er.
    Sie musterte ihn und versuchte, sich darüber klarzuwerden, wie er vom Diebstahl der Puppe auf den Tod ihres Vaters kam. »Vielen Dank«, sagte sie schließlich und ging mit dem Telefon und einem großen Ausdruck eines neueren Fotos von Margrét in die Küche.
    Die Sonne schien durchs Küchenfenster und beleuchtete jedes einzelne Staubkorn und die schmierigen Fingerabdrücke auf den Möbeln. Das Fenster knarrte in der Zarge, und Lóa schloss es, bevor sie sich mit dem Rücken zur Sonne an den Tisch setzte und das Foto betrachtete, das letztes Jahr an Ínas Geburtstag aufgenommen worden war. Es zeigte Margrét frei in der Luft schwebend, als sie versuchte, sich von der Kamera wegzudrehen. Sie war ins Wohnzimmer gerannt, doch als sie gesehen hatte, dass die Linse auf sie gerichtet war, hatte sie versucht, mitten im Sprung innezuhalten – wie eine Katze, die sich in der Luft drehte, um auf allen Vieren zu landen. Genauer gesagt, wie eine nasse, streunende Katze mit stumpfem Fell und hervorstehenden Knochen.

    Lóa wählte die Nummer der Polizeiwache und musste warten, unendlich lange, wie sie fand, bis sie mit dem Dienststellenleiter verbunden wurde. Er redete schnell und stellte sich als Tómas vor, aber seine Stimme klang mehr wie die eines Laufburschen als eines Vorgesetzten.
    »Sie müssen zur Protokollaufnahme vorbeikommen und ein neueres Foto mitbringen, auf dem ihr Gesicht besser zu sehen ist«, sagte er.
    »Eigentlich kann ich das Haus nicht verlassen«, entgegnete Lóa. »Ich hatte gehofft, Sie könnten jemanden vorbeischicken. Das Foto kann ich Ihnen ja per E-Mail zukommen lassen.«
    Er schwieg, und im Hintergrund war rhythmisches Knallen zu hören. Lóa sah ihn vor sich, wie er mit einer wichtigen Blutprobe den Takt schlug oder immer wieder den Gummibund seiner Unterhose flitschen ließ. Sie hatte grenzenloses Misstrauen.
    »So machen wir es«, sagte er schließlich. »Ich stelle Ihnen jetzt ein paar Fragen, Sie schicken uns so schnell wie möglich das Foto und rufen an, wenn sich etwas Neues ergibt oder Ihnen noch etwas einfällt.«
    Lóa blieb nichts anderes übrig, als zuzustimmen, zumal sie keine klare Vorstellung davon hatte, wie sie die Sache sonst angehen sollte.
    Dann stellte Tómas ihr schnell ein paar Fragen über Margrét. Größe, Gewicht, Augenfarbe, Haarfarbe, wo sie sie zuletzt gesehen und was sie angehabt hätte.
    »Hatte sie irgendwelchen Ärger? Hatte sie Kontakt zu älteren Jugendlichen? Hat sie in der letzten Zeit neue Freunde kennengelernt? Ist sie mit jemandem zusammen? Gibt es zu Hause Probleme?«
    Während Lóa redete, machte er sich die ganze Zeit Notizen – sie hörte seine Finger über die Tastatur huschen.

    »Stimmt das so? Möchten Sie noch etwas hinzufügen?«, fragte er, als er ihr seine Notizen vorgelesen hatte.
    »Ich weiß nicht, was ich da noch hinzufügen soll.« Ihr Rücken begann in der Sonne zu schwitzen. »Bis auf das, was ich der Dame am Empfang gestern schon gesagt habe, dass meine Tochter so schnell wie möglich in ärztliche Behandlung muss. Ach ja, und ich habe ihr Handy. Brauchen Sie das? Könnte das bei den Ermittlungen behilflich sein?«
    Er schwieg erneut, und Lóa hatte das Gefühl, dass er das Wort Ermittlungen für diesen Anlass als etwas zu hochtrabend erachtete. Sie bekam panische Angst, das Protokoll würde nur als Alibi für die Bearbeitung irgendwo herumliegen gelassen.
    »Ja, lassen Sie uns das Handy zukommen«, sagte er. »Hat sie einen Computer? Bringen Sie den auch vorbei. Wenn das Mädchen heute oder morgen nicht auftaucht, geben wir eine Fahndung raus. Aber diese Kids kommen immer wieder zurück.«
    Lóa lachte kurz auf.
    »Machen Sie es gut, meine Liebe, wir rufen an, wenn etwas passiert.«
    »Ja,

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